Geheime Spiel
ihrem Zimmer war etwas Ungewöhnliches. »Freust du dich auf Tosca ?«, fragte Hannah.
»Ungemein«, sagte Deborah. »Ich liebe Puccini.« Sie nahm einen Taschenspiegel aus ihrer Handtasche, klappte ihn auf, spitzte die Lippen und betupfte die Mundwinkel mit den Fingerspitzen, um eventuelle Lippenstiftreste zu entfernen. »Andererseits ist es so eine traurige Geschichte. Wie die Liebenden getrennt werden.«
»In der Oper gibt es selten ein glückliches Ende«, entgegnete Hannah.
»Nein«, sagte Deborah. »Und ich fürchte, im wirklichen Leben auch nicht.«
Hannah presste die Lippen zusammen. Wartete.
»Du bist dir doch hoffentlich darüber im Klaren«, fuhr Deborah fort, während sie in dem kleinen Spiegel ihre Brauen glättete, »dass es mich einen feuchten Kehricht interessiert, mit wem du schläfst, sobald mein vertrottelter Bruder dir den Rücken kehrt.«
Hannah schaute mich an. Vor Schreck ließ ich eine Haarnadel fallen.
»Ich bin lediglich um das Geschäft meines Vaters besorgt. «
»Ich wusste gar nicht, dass die Geschäfte deines Vaters etwas mit mir zu tun haben«, bemerkte Hannah. Zwar war es ihr gelungen, ihre Worte einigermaßen ungezwungen klingen zu lassen, doch ich spürte, dass ihr Atem flacher und schneller ging.
»Stell dich nicht dümmer, als du bist«, erwiderte Deborah und ließ ihren Spiegel zuschnappen. »Du weißt genau, welche Rolle du hier spielst. Die Leute vertrauen uns, weil wir das Beste aus zwei Welten verbinden. Moderne
Geschäftsmethoden kombiniert mit den traditionellen Werten, die deine Familie repräsentiert. Fortschritt und Tradition Seite an Seite.«
»Progressive Tradition? Ich hatte doch schon immer den Verdacht, dass Teddy und ich ein widersprüchliches Paar sind«, sagte Hannah.
»Spar dir deine Spitzfindigkeiten«, erwiderte Deborah ungehalten. »Du und die deinen, ihr profitiert von dieser Verbindung ebenso wie wir. Nach dem Schlamassel, den dein Vater mit seinem Erbe …«
»Mein Vater hat sein Bestes getan«, gab Hannah mit geröteten Wangen zurück.
Deborah hob die Brauen. »Ach, so nennst du das? Dass er sein Geschäft in den Ruin getrieben hat?«
»Mein Vater ist wegen des Kriegs bankrottgegangen. Er hat einfach Pech gehabt.«
»Selbstverständlich«, höhnte Deborah. »Kriege sind etwas Schreckliches. Bringen Unglück über so viele Menschen. Und dein Vater war ein ach so anständiger Mann. So entschlossen, durchzuhalten und seine Firma zu retten. Er war ein Träumer. Er war kein Realist wie du.« Sie lachte und trat neben Hannah, sodass ich zur Seite treten musste. Dann beugte sie sich über Hannah und sagte zu deren Spiegelbild: »Es ist kein Geheimnis, dass er gegen deine Heirat mit Teddy war. Weißt du, dass er meinen Vater eines Abends aufgesucht hat? O ja. Er hat ihm ins Gesicht gesagt, er wüsste, was er vorhätte, aber das könne er vergessen, denn du würdest niemals ja sagen. « Sie richtete sich auf und lächelte triumphierend, als Hannah sich abwandte. »Dennoch hast du ja gesagt. Weil du ein kluges Mädchen bist. Hast deinem Vater das Herz gebrochen, aber du wusstest genauso gut wie er, dass dir gar keine andere Wahl blieb. Und du hattest recht. Wo wärst du denn heute, wenn du meinen Bruder
nicht geheiratet hättest?« Sie hob eine säuberlich gezupfte Braue. »Mit deinem mittellosen Dichter?«
Ich stand am Kleiderschrank, wusste nicht, wie ich zur Tür gelangen sollte, und wäre am liebsten im Erdboden versunken. Aus Hannahs Gesicht war alle Farbe gewichen. Sie saß so angespannt da wie jemand, der einen Schlag erwartet und nicht weiß, aus welcher Richtung er kommen wird.
»Und deine Schwester?«, sagte Deborah. »Was wäre mit der kleinen Emmeline?«
»Emmeline hat nichts damit zu tun«, antwortete Hannah mit zitternder Stimme.
»Da bin ich aber ganz anderer Meinung«, entgegnete Deborah. »Was wäre aus ihr geworden, wenn meine Familie nicht gewesen wäre? Eine kleine Waise, deren Daddy zuerst das Familienvermögen durchgebracht und sich anschließend eine Kugel in den Kopf gejagt hat. Deren Schwester es mit einem ihrer Freunde treibt. Schlimmer könnte es nur noch werden, wenn diese widerlichen kleinen Filme wieder auftauchen würden!«
Hannah erstarrte.
»O ja, meine Liebe. Ich weiß alles darüber. Du hast doch nicht im Ernst geglaubt, mein Bruder würde irgendetwas vor mir verheimlichen, oder?«, sagte Deborah triumphierend. »Das würde er nicht wagen. Ich bin schließlich seine Schwester.«
»Was willst du von
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