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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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seufzte frustriert. »Du hast so viele Verehrer. Kannst du nicht einen von denen lieben?«
    Emmeline schüttelte eigensinnig den Kopf.
    »Natürlich kannst du das. Versprichst du mir, es zu versuchen?«
    »Nein, ich will nicht.«
    »Du musst.«
    Als Emmeline sich von Hannah abwandte, entdeckte ich etwas Neues in ihrem Gesichtsausdruck: etwas Hartes, Unnachgiebiges. »Eigentlich geht dich das gar nichts an, Hannah«, sagte sie trocken. »Ich bin zwanzig. Ich lasse mir von dir nicht in meine Entscheidungen hineinreden. Du hast mit zwanzig geheiratet, und du hast weiß Gott niemanden um seine Meinung gebeten.«
    »Das ist nicht dasselbe …«
    »Ich brauche keine große Schwester, die mich auf Schritt und Tritt überwacht. Jetzt nicht mehr.« Emmeline atmete aus und drehte sich zu Hannah um. Etwas freundlicher sagte sie: »Wollen wir uns darauf einigen, dass wir uns von jetzt an gegenseitig in Frieden lassen? Sodass wir beide das Leben führen können, das wir wollen? Was sagst du dazu?«
    Hannah hatte dem nichts entgegenzusetzen. Sie nickte zustimmend und schloss die Tür hinter sich.

    Am Abend vor dem Umzug nach Riverton packte ich Hannahs restliche Kleider ein. Sie saß am Fenster und blickte in die Abenddämmerung hinaus. Als die Straßenlaternen angingen, drehte sie sich zu mir um und sagte: »Hast du schon mal jemanden geliebt, Grace?«
    Ihre Frage verblüffte mich. Sie kam so unerwartet. »Ich … Ich weiß nicht, Ma’am.« Ich legte ihren Fuchspelzmantel in den Überseekoffer.
    »Wenn du schon einmal geliebt hättest, dann würdest du es wissen«, sagte sie.
    Ich vermied ihren Blick. Versuchte, gleichgültig zu klingen, in der Hoffnung, dass sie das Thema wechseln würde. »In dem Fall muss ich nein sagen, Ma’am.«
    »Wahrscheinlich kannst du von Glück reden.« Sie schaute wieder aus dem Fenster. »Liebe ist wie eine Krankheit.«
    »Eine Krankheit, Ma’am?« In dem Augenblick wurde mir tatsächlich beinahe übel.
    »Früher habe ich das nie verstanden. Ob in Büchern, in Theaterstücken oder in Gedichten. Ich habe nie begriffen, was intelligente, vernünftige Menschen dazu bringen kann, so abwegige, irrationale Dinge zu tun.«
    »Und jetzt, Ma’am?«
    »Ja«, sagte sie leise. »Jetzt verstehe ich es. Es ist eine Krankheit. Sie erwischt einen, wenn man am wenigsten damit rechnet. Es gibt kein Heilmittel dagegen. Und manchmal, in ihrer extremsten Form, kann sie tödlich enden.«
    Ich schloss kurz die Augen. Mir war schwindlig. »Doch sicherlich nicht tödlich, Ma’am?«
    »Nein. Wahrscheinlich hast du recht, Grace. Ich übertreibe. « Sie wandte sich zu mir um und lächelte. »Siehst du? Ich bin der lebende Beweis. Ich benehme mich wie
eine Heldin in einem Groschenroman.« Sie schwieg eine Weile, aber anscheinend ging ihr das Thema nicht aus dem Sinn, denn schließlich neigte sie den Kopf, sah mich fragend an und sagte: »Weißt du, Grace, ich dachte immer, du und Alfred …«
    »O nein, Ma’am«, erwiderte ich hastig. Allzu hastig. »Alfred und ich waren nur gute Freunde.« Meine Haut brannte wie von tausend Nadelstichen.
    »Wirklich?« Sie überlegte. »Was hat mich dann bloß dazu veranlasst, etwas anderes anzunehmen?«
    »Ich weiß nicht, Ma’am.«
    Sie sah mir zu, wie ich mit ihren Seidenkleidern hantierte. »Ich habe dich in Verlegenheit gebracht«, sagte sie lächelnd.
    »Nein, überhaupt nicht, Ma’am«, entgegnete ich. »Es ist nur …« Ich klammerte mich an das Gespräch. »Ich musste gerade an einen Brief denken, den ich bekommen habe. Mit Nachrichten aus Riverton. Was für ein Zufall es ist, dass Sie mich ausgerechnet jetzt auf Alfred ansprechen. «
    »Ach?«
    »Ja, Ma’am.« Die Worte sprudelten nur so aus mir heraus. »Erinnern Sie sich an Miss Starling, die für Ihren Vater gearbeitet hat?«
    Hannah runzelte die Stirn. »Die magere Frau mit dem mausbraunen Haar? Die immer mit einer ledernen Tasche durchs Haus geschlichen ist?«
    »Ja, Ma’am, die meine ich.« Es war, als stünde ich neben mir und würde zusehen, wie ich so tat, als wäre ich die Gelassenheit in Person. »Miss Starling und Alfred haben geheiratet, Ma’am. Im vergangenen Monat. Sie wohnen jetzt in Ipswich, wo er sich als Elektriker selbstständig gemacht hat.« Ich schloss den Überseekoffer und nickte. Ohne Hannah anzusehen, sagte ich: »Wenn Sie
mich jetzt bitte entschuldigen wollen, Ma’am. Ich glaube, Mr Boyle braucht mich unten.«
    Dann schloss ich die Tür hinter mir und war allein. Ich hielt mir den Mund zu.

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