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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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überprüfen.«
    O ja, Liebe kann einen Menschen sehr erfinderisch machen. Es kostete sie nicht viel Mühe, Teddy zu überreden. Sie beschwor die Gefahr von Schadensersatzklagen und hässlicher Publicity herauf. Teddy ließ Mr Boyle Schilder und Absperrungen aufstellen, um die Gäste vom See fernzuhalten. Im August würde er anlässlich seines Geburtstags dann noch eine Party veranstalten. Eine Lunchparty im Sommerhaus mit Booten, Spielen und farbig gestreiften Zelten. Genauso wie auf dem Gemälde dieses Franzosen, wie war gleich noch sein Name?
    Natürlich fand diese Party nie statt, denn im August 1924 stand niemandem, außer Emmeline, der Sinn danach, eine Party zu geben. Aber bei ihr war das damals eher eine besondere Art der Exaltiertheit, wie eine Abwehrreaktion auf all das Entsetzen und das Blut.
    Das Blut. So viel Blut. Wer hätte sich je vorstellen können, dass so viel Blut fließen könnte? Von da, wo ich jetzt stehe, kann ich die Stelle am Ufer des Sees sehen. Da standen sie. Da stand er, ehe er …
    Mein Kopf wird plötzlich ganz leer, und meine Beine geben unter mir nach. Ursula hakt mich unter, um mich festzuhalten.

    »Geht es Ihnen nicht gut?«, fragt sie mit besorgten, dunklen Augen. »Sie sind ja ganz blass.«
    Meine Gedanken schwimmen. Mir ist so heiß. Und schwindlig.
    »Wollen Sie lieber ins Haus gehen?«
    Ich nicke.
    Ursula führt mich den Weg zurück, hilft mir in den Rollstuhl und erklärt Beryl, dass sie mich ins Haus bringen muss.
    Das ist die Hitze, sagte Beryl verständnisvoll, ihrer Mutter mache sie auch zu schaffen. Es sei einfach viel zu heiß für die Jahreszeit. Sie beugt sich zu mir vor und lächelt breit mich an, sodass ihre Augen sich zu Schlitzen verengen. »Es ist die Hitze, meine Liebe, die Hitze.«
    Ich nicke. Es lohnt sich nicht, ihr zu widersprechen. Wie soll ich ihr auch begreiflich machen, dass es nicht die Hitze ist, die mich bedrückt, sondern das Gewicht einer uralten Schuld.
     
    Ursula bringt mich zum Salon. Wir bleiben gleich hinter dem Eingang stehen; weiter geht es nicht. Etwa einen Meter hinter der Tür hat man eine dicke, rote Kordel gespannt. Wahrscheinlich wollen sie nicht, dass jeder einfach durch den Salon spaziert und mit seinen schmutzigen Fingern alles anfasst. Ursula stellt meinen Rollstuhl vor der Wand ab und nimmt auf einer Bank Platz, die für Besucher aufgestellt wurde.
    Touristen gehen vorbei, zeigen auf den opulenten Tisch und betrachten unter vielen »Aahs« und »Oohs« das Tigerfell auf der Rückenlehne des Chesterfield-Sofas. Keiner von ihnen scheint zu bemerken, dass es in dem Raum nur so von Geistern wimmelt.

    Hier in diesem Salon hat die Polizei ihre Vernehmungen durchgeführt. Der arme Teddy. Er war völlig verwirrt. »Er war Dichter«, sagte er dem Polizisten, der ihn befragte, und schlang sich, immer noch im Smoking, eine Decke um die Schultern. »Meine Frau und er kannten sich als Jugendliche. Ein netter Kerl; künstlerisch veranlagt, aber harmlos. Er ist immer mit meiner Schwägerin und ihrer Clique herumgezogen.«
    Alle wurden in jener Nacht von der Polizei vernommen. Außer Hannah und Emmeline. Dafür hatte Teddy gesorgt. Es sei schon schlimm genug, dass sie so etwas hätten mitansehen müssen, erklärte er den Polizisten; das Ganze noch einmal zu durchleben sei eine Zumutung. Der Einfluss der Familie Luxton war so groß, dass die Polizisten nicht weiter insistierten.
    Allerdings waren sie auch nicht wirklich erpicht darauf, die Schwestern zu vernehmen. Es war schon sehr spät, und sie wollten möglichst bald nach Hause zu ihren Frauen und zurück in ihr warmes Bett. Sie hatten alles erfahren, was sie wissen mussten. Der Vorfall war nichts Ungewöhnliches. Deborah hatte selbst gesagt, dass es in ganz London, auf der ganzen Welt junge Männer gab, denen es nach allem, was sie im Krieg gesehen und getan hatten, schwerfiel, wieder in ein normales Leben zurückzufinden. Dass er ein Dichter war, machte die ganze Geschichte noch plausibler. Künstler neigten ja bekannterweise zu übertrieben emotionalen Reaktionen.
     
    Die anderen aus unserer Gruppe haben uns gefunden. Beryl bittet uns, uns ihnen wieder anzuschließen, und geleitet uns in die Bibliothek.
    »Dies ist einer der wenigen Räume, die bei dem Brand im Jahr 1938 nicht zerstört wurden«, sagt sie und schreitet zielstrebig den Korridor entlang. »Ein Segen, kann
ich Ihnen versichern. Die Familie Hartford besaß eine unschätzbare Sammlung alter Bücher. Über neuntausend

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