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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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Ereignisse, die auf seine Aufnahme folgten, im Gedächtnis haften geblieben.
    Mr Frederick sitzt vorne in der Mitte, zu seinen Seiten seine Mutter und seine Schwägerin Jemima. Jemima ist in einen schwarzen Schal gehüllt, der ihren schwangeren Bauch verbergen soll. Hannah und Emmeline, in gleichen schwarzen Kleidern, sitzen rechts und links am Rand wie Anführungszeichen. Die Kleider waren neu, allerdings überhaupt nicht nach Emmelines Geschmack.
    Hinter Mr Frederick steht Mr Hamilton zwischen Mrs Townsend und Nancy, Katie und ich stehen hinter den Hartford-Schwestern und Mr Dawkins, der Chauffeur, und Mr Dudley rechts und links außen. Die Reihen sind deutlich voneinander getrennt, nur die alte Nanny Brown döst mitten drin in ihrem Korbsessel vor sich hin.
    Ich betrachte mein ernstes Gesicht, meine strenge Frisur, die meinen Kopf besonders lang erscheinen lässt und meine zu großen Ohren betont. Ich stehe direkt hinter Hannah, deren blondes, gewelltes Haar einen starken Kontrast zu meinem schwarzen Kleid bildet.
    Wir blicken alle sehr ernst drein, was damals üblich, aber für dieses Foto besonders angemessen war. Die Dienstboten sind wie immer ganz in Schwarz gekleidet, aber diesmal tragen auch die Familienangehörigen Schwarz. Denn in jenem Sommer waren sie von der Trauer eingeholt worden, die in England und auf der ganzen Welt Einzug gehalten hatte.
    Es war der 12. Juli 1916, der Tag, nachdem Lord Ashbury und der Major gemeinsam zu Grabe getragen worden waren. Der Tag, an dem Jemimas Baby zur Welt kam, und der Tag, an dem die Frage, die uns allen auf den Nägeln brannte, beantwortet wurde.
     
    Es war fürchterlich heiß in jenem Sommer, der heißeste Sommer, an den wir uns erinnern konnten. Vorbei war die graue Winterzeit, in der die Nächte unmerklich in die Tage übergingen. Jetzt hatten wir lange Tage mit wolkenlosem Himmel, und Morgen für Morgen ging die Sonne klar und strahlend auf.
    An jenem Morgen wachte ich früher als gewöhnlich auf. Die Sonne stand über den Birken, die den See säumten, und schien direkt ins Dachbodenfenster, sodass ein heller Strahl auf mein Bett fiel und mein Gesicht liebkoste.
Es war eine willkommene Abwechslung, im Hellen aufzuwachen, anstatt in der Dunkelheit des schlafenden Hauses. Für ein Dienstmädchen war die Sommersonne ein treuer Begleiter bei der täglichen Arbeit.
    Der Fotograf war für halb zehn bestellt, und als wir uns auf dem Rasen vor dem Haus versammelten, herrschte bereits eine drückende Hitze. Die Schwalbenfamilie, die in Riverton ein Zuhause gefunden hatte, suchte Zuflucht unter dem Dach, weil ihr die Lust am Singen vergangen war, und beobachtete uns still und neugierig. Selbst die Bäume, die die Auffahrt säumten, gaben nicht das geringste Geräusch von sich, ihre Blätterkronen reglos, als wollten sie Energie sparen, bis eine Brise ihnen ein missmutiges Rascheln entlocken würde.
    Mit verschwitztem Gesicht reihte der Fotograf uns einen nach dem anderen auf, die Familienmitglieder sitzend, die anderen dahinter stehend. Und in dieser Position verharrten wir reglos, alle in Schwarz, den Blick auf die Kamera gerichtet und in Gedanken auf dem Friedhof.
    Im Dienstbotentrakt, wo es vergleichsweise kühl war, sanken wir später erschöpft auf unsere Plätze rund um den Tisch, während Katie auf Mr Hamiltons Geheiß kalten Zitronentee einschenkte.
    »Eine Ära geht zu Ende, glaubt mir«, sagte Mrs Townsend und betupfte sich die geschwollenen Augen mit einem Taschentuch. Sie weinte schon den ganzen Juli hindurch. Angefangen hatte sie damit, als die Nachricht kam, dass der Major in Frankreich gefallen war, dann, nachdem sie gerade aufgehört hatte, war es noch schlimmer geworden, als Lord Ashbury in der darauffolgenden Woche einem Schlaganfall erlegen war. Inzwischen hatte sie einen Zustand erreicht, in dem ihre Augen einfach permanent tränten.

    »Das Ende einer Ära«, sagte Mr Hamilton, der ihr gegenübersaß. »Das ist es in der Tat, Mrs Townsend.«
    »Wenn ich an Seine Lordschaft denke …« Kopfschüttelnd stützte sie die Ellbogen auf den Tisch und vergrub ihr aufgedunsenes Gesicht in ihren Händen.
    »Der Schlaganfall kam in der Tat unerwartet«, bemerkte Mr Hamilton.
    »Schlaganfall!«, schnaubte Mrs Townsend und blickte auf. »So mögen sie es vielleicht nennen, aber er ist an gebrochenem Herzen gestorben. Glauben Sie mir. Seinen Sohn auf diese Weise zu verlieren, das war einfach zu viel für ihn.«
    »Ja, da haben Sie recht, Mrs Townsend«, sagte

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