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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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haben.«
    »Sicher.« Auf einmal widerstrebt es mir zutiefst, über die Toten zu sprechen. »Aber ich habe es mir nicht anmerken lassen.«
    »Nie?« Zum Glück erwartet sie keine Antwort, denn ich habe keine Lust, ihr eine zu geben. Sie zieht einen Schmollmund. »Dieses ganze Verhältnis zwischen dem Dienstmädchen und der Mistress ist doch absolut lächerlich. Dass die eine einfach alles tut, was die andere von ihr verlangt.«
    »Das waren andere Zeiten«, entgegne ich trocken.
    »Ja, das sagt Ursula auch ständig.« Sie seufzt. »Aber das hilft mir nicht weiter. Ich meine, schauspielern bedeutet reagieren. Aber wie soll ich meine Rolle ausfüllen, wenn in den Regieanweisungen nichts anderes steht als: ›Nicht reagieren‹? Ich komme mir vor wie eine Aufziehpuppe, die dauernd sagt ›Ja, Miss‹, ›Nein, Miss‹, ›Ja, Miss‹, ›Nein, Miss‹.«
    Ich nicke. »Das ist bestimmt nicht einfach.«
    »Ursprünglich hab ich mich für Emmelines Rolle beworben«, vertraut sie mir an. »Das ist wirklich eine Traumrolle. Eine irrsinnig interessante Figur. Und so eine schillernde Persönlichkeit, wo sie doch später selbst Schauspielerin war und bei diesem Autounfall ums Leben gekommen ist. Sie müssten mal die Kostüme sehen.«
    Ich erinnere sie nicht daran, dass ich die Kleider im Original kenne.
    »Aber die wollten eine Schauspielerin, die mehr Geld in die Kinokassen spielt.« Sie verdreht die Augen und betrachtet ihre Fingernägel. »Sie waren eigentlich ganz zufrieden mit mir, als ich vorgesprochen hab«, fährt sie fort. »Der Produzent hat mich sogar zweimal angerufen.
Er meinte, ich würde Emmeline viel ähnlicher sehen als Gwyneth Paltrow.« Sie spricht den Namen der Schauspielerin mit einem so verächtlichen Schnauben aus, dass es sie einen Augenblick lang ihrer Schönheit beraubt. »Das Einzige, was die mir voraus hat, ist, dass sie mal für den Academy Award vorgeschlagen war, und jeder weiß, dass englische Schauspieler doppelt so hart arbeiten müssen, um für einen Oscar infrage zu kommen. Vor allem, wenn man als Seifenopernstar angefangen hat.«
    Ich spüre ihre Enttäuschung und kann sie ihr nicht einmal verübeln. Immerhin hat es genug Gelegenheiten gegeben, in denen ich mir gewünscht hätte, Emmeline zu sein anstatt das kleine Dienstmädchen.
    »Na ja«, sagt sie missmutig, »jetzt spiele ich halt Grace, und ich muss das Beste draus machen. Außerdem hat Ursula mir versprochen, für die DVD ein längeres Interview mit mir zu machen, weil ich als Einzige das Glück habe, mit der Person zu sprechen, die ich im Film darstelle. «
    »Freut mich, dass ich wenigstens ein bisschen von Nutzen sein kann.«
    »Ja«, sagt sie, ohne die Ironie in meinen Worten zu bemerken.
    »Haben Sie noch weitere Fragen?«
    »Ich sehe mal nach.« Sie schlägt in ihrem Drehbuch nach, und etwas fällt zwischen den Seiten heraus, flattert wie eine graue Motte zu Boden. Als sie sich bückt, um es aufzuheben, sehe ich, dass es sich um ein Schwarz-Weiß-Foto handelt, auf dem lauter ernste Gesichter zu erkennen sind. Selbst von Weitem ist mir das Bild vertraut. Ich sehe die Situation augenblicklich wieder vor mir, so wie oft die kleinste Kleinigkeit die Erinnerung an einen vor langer Zeit gesehenen Film, einen Traum oder ein Gemälde auslöst.

    »Darf ich mal sehen?« Ich strecke meine Hand aus.
    Sie legt das Foto auf meine gekrümmten Finger. Als sich unsere Hände flüchtig berühren, zieht sie ihre Hand hastig zurück, als fürchte sie, sich etwas einzufangen. Als wäre das Alter ansteckend.
    Das Foto ist eine Kopie mit kühler, matter Oberfläche. Ich halte das Bild vors Fenster, damit das Licht darauf fällt, und betrachte es mit zusammengekniffenen Augen.
    Da stehen wir alle beisammen. Der gesamte Haushalt von Riverton im Sommer 1916.
    Jedes Jahr wurde so eine Aufnahme gemacht, Lady Violet bestand darauf. Dann wurde ein Fotograf aus einem Londoner Studio bestellt, und jedes Mal wurde das große Ereignis mit bombastischem Aufwand begangen.
    Das Foto, zwei Reihen von ernsten Gesichtern, die starr in die unter einem schwarzen Tuch verborgene Kamera blicken, wurde später von einem Boten im Haus abgeliefert und eine Zeit lang im Salon auf dem Kaminsims aufgestellt, bevor es zu den Einladungskarten, Speisekarten und Zeitungsausschnitten ins Familienalbum der Hartfords wanderte.
    Hätte es sich um ein Foto aus irgendeinem anderen Jahr gehandelt, hätte ich mich sicher nicht an das Datum erinnert. Aber dieses eine Foto ist mir wegen der

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