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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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musste ich meinen Dienst wieder antreten. Ich würde eine Tasse Tee trinken. Der, den ich bei meiner Mutter bekommen hatte, hatte einen bitteren Geschmack in meinem Mund hinterlassen.
    Die Teekanne auf der Küchenbank war noch warm unter ihrer wollenen Haube. Als ich mir gerade eine Tasse füllte, kam Nancy regelrecht um die Ecke geflogen, ihre Augen weiteten sich bei meinem Anblick.
    »Jemima«, rief sie und schnappte nach Luft. »Das Kind kommt.«
    »Aber es wird doch erst im September erwartet«, sagte ich erstaunt.
    »Tja, das weiß das Baby leider nicht«, erwiderte sie und warf mir ein kleines Handtuch zu. »Hier, bring das und eine Schüssel mit warmem Wasser nach oben. Ich kann die anderen nicht finden, und jemand muss den Arzt benachrichtigen.«
    »Aber ich bin noch gar nicht umgezogen …«
    »Ich glaube kaum, dass die Mutter oder das Kind daran Anstoß nehmen werden«, beschied Nancy und verschwand in Mr Hamiltons Anrichtezimmer, um zu telefonieren.
    »Aber was soll ich sagen?« Die Frage war an das leere Zimmer gerichtet, an mich selbst, an das Handtuch in meiner Hand. »Was soll ich tun?«

    Nancys Kopf erschien in der Tür. »Das weiß ich doch auch nicht. Dir wird schon was einfallen.« Sie machte eine ungehaltene Geste mit der Hand. »Sag ihr einfach, dass alles gut wird. Und so Gott will, wird es das auch.«
    Ich legte mir das Handtuch über die Schulter, füllte eine Schüssel mit warmem Wasser und ging nach oben. Meine Hände zitterten ein wenig, sodass etwas von dem Wasser auf den Treppenläufer schwappte und dort dunkle Flecken hinterließ.
    Vor Jemimas Zimmer zögerte ich einen Moment. Hinter der Tür war gedämpftes Stöhnen zu hören. Ich holte tief Luft, klopfte und trat ein.
    Im Zimmer war es dunkel, nur durch einen Spalt zwischen den Vorhängen drang ein wenig Licht. In dem schmalen Lichtstreifen tanzten träge Staubteilchen. Jemima lag reglos und schwer atmend auf dem großen Himmelbett.
    Ängstlich trat ich zu ihr und stellte die Schüssel auf dem kleinen Nachttisch ab.
    Jemima stöhnte, und ich biss mir auf die Lippe, unsicher, was ich tun sollte. »Ganz ruhig«, sagte ich leise, so wie meine Mutter damals, als ich Scharlach hatte. »Ganz ruhig.«
    Sie erschauderte, schnappte nach Luft und schloss die Augen.
    »Es wird alles gut«, sagte ich. Dann tränkte ich das Handtuch mit Wasser, faltete es zweimal und legte es ihr auf die Stirn.
    »Jonathan …«, flüsterte sie. »Jonathan …« Sein Name klang wundervoll aus ihrem Mund.
    Ich schwieg, denn es gab nichts, was ich dazu hätte sagen können.
    Sie stöhnte und wimmerte. Sie wand sich und keuchte
ins Kissen. Wie um Beistand suchend tasteten ihre Finger das leere Laken neben ihr ab.
    Dann wurde sie wieder still, und ihr Atem ging ruhiger.
    Ich nahm das Tuch von ihrer Stirn. Es war ganz warm geworden auf ihrer Haut. Ich tauchte es ins Wasser, wrang es aus, faltete es und wollte es ihr erneut auf die Stirn legen.
    Plötzlich schlug sie die Augen auf, blinzelte, schaute mir in dem schummrigen Licht suchend ins Gesicht. »Hannah«, seufzte sie. Ihr Irrtum wunderte mich. Und bereitete mir zugleich tiefe Freude. Ich öffnete den Mund, um sie zu korrigieren, doch ehe ich dazu kam, nahm sie meine Hand. »Ich bin so froh, dass du es bist«, sagte sie und drückte meine Hand ganz fest. »Ich habe solche Angst«, flüsterte sie. »Ich spüre das Kind überhaupt nicht.«
    »Es wird alles gut«, sagte ich. »Das Baby ruht sich nur aus.«
    Das schien sie ein wenig zu beruhigen. »Ja«, sagte sie. »Das ist immer so, kurz vor der Geburt. Ich dachte nur … es ist zu früh.« Sie wandte sich ab. Dann sagte sie so leise, dass ich sie kaum noch verstehen konnte: »Alle wünschen mir, dass es ein Junge wird. Aber ich nicht. Ich könnte es nicht ertragen, noch einen Sohn zu verlieren.«
    »Das wird nicht passieren«, erwiderte ich in der Hoffnung, recht zu behalten.
    »Auf meiner Familie liegt ein Fluch«, fuhr sie fort, das Gesicht immer noch abgewandt. »Meine Mutter hat es mir schon vor langer Zeit gesagt, aber ich wollte es ihr nicht glauben.«
    Jetzt hat sie den Verstand verloren, dachte ich. Von Trauer und Kummer überwältigt, ist sie abergläubisch
geworden. »So etwas gibt es nicht. Es gibt keine Flüche«, sagte ich leise.
    Sie gab ein Geräusch von sich, eine Mischung aus Schnauben und Schluchzen. »O doch. Es ist derselbe, der unserer guten Königin Victoria ihren Sohn geraubt hat. Es ist der Fluch der Bluter.« Schweigend befühlte sie ihren

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