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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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aus weißem Porzellan mit aufgemalten Tulpen, die einmal ihrer Mutter gehört hatte, stand mit einem Strauß Margeriten auf dem Couchtisch. Und das Kissen, das sie sonst zusammengerollt beim Arbeiten als Rückenstütze benutzte, prangte geglättet mitten auf dem Sofa. Es erschien mir wie ein Hochstapler, als diente es ausschließlich dekorativen Zwecken.
    Das Zimmer war blitzsauber – nach Jahren als Dienstmädchen hatte meine Mutter hohe Ansprüche –, doch es war kleiner und einfacher, als ich es in Erinnerung hatte. Die gelben, ehemals freundlichen Wände waren verblasst und wirkten so windschief, dass es aussah, als würden nur das alte, zerschlissene Sofa und die beiden Sessel ihren Einsturz verhindern. Die Bilder an den Wänden, Szenen auf hoher See, die einst meine kindliche Fantasie beflügelt hatten, waren ihrer Magie verlustig gegangen und zeigten mir nur, dass sie alt und schlecht gerahmt waren.
    Meine Mutter kam mit dem Tee und nahm mir gegenüber Platz. Ich sah ihr beim Einschenken zu. Auf dem Tablett standen nur zwei Tassen. Wir würden also unter uns bleiben. Das Zimmer, die Blumen und das Kissen waren für mich.
    Als ich die Tasse entgegennahm, die sie mir reichte, fiel mir auf, dass sie am Rand angeschlagen war. Mr Hamilton würde das niemals durchgehen lassen. Für gesprungene Teetassen war auf Riverton kein Platz, nicht einmal im Dienstbotentrakt.
    Meine Mutter hielt ihre Tasse mit beiden Händen. Ich sah, dass ihre Finger krallenartig verkrümmt waren. Mit diesen Händen konnte sie auf keinen Fall nähen. Ich fragte mich, seit wann ihre Finger schon so schlimm waren und wie sie ihren Lebensunterhalt bestritt. Zwar schickte ich ihr jede Woche einen Teil meines Lohns,
aber das konnte unmöglich reichen. Vorsichtig sprach ich das Thema an.
    »Das geht dich nichts an«, sagte sie. »Ich komme zurecht. «
    »Aber, Mutter, du hättest mit mir darüber sprechen müssen. Ich hätte dir mehr Geld schicken können. Ich habe sowieso keine Gelegenheit, es auszugeben.«
    Auf ihrem verhärmten Gesicht zeigten sich abwechselnd Abwehr und Resignation. Schließlich seufzte sie. »Du bist ein gutes Mädchen, Grace. Du tust, was du kannst. Aber über das Unglück deiner Mutter musst du dir keine Gedanken machen.«
    »Doch, das muss ich.«
    »Pass einfach auf, dass du nicht dieselben Fehler machst.«
    Ich nahm meinen Mut zusammen und fragte vorsichtig: »Was für Fehler, Mutter?«
    Sie schaute weg. Während sie auf ihrer trockenen Unterlippe kaute, wartete ich mit klopfendem Herzen ab und fragte mich, ob sie mir endlich die Geheimnisse anvertrauen würde, die zwischen uns standen, seit ich mich erinnern konnte …
    »Ach …«, sagte sie schließlich seufzend und wandte sich mir wieder zu. Und damit war das Thema erledigt. Mit vorgerecktem Kinn erkundigte sie sich wie immer nach dem Haus, nach der Familie.
    Was hatte ich erwartet? Dass sie ganz plötzlich und unerwartet entgegen ihren Gewohnheiten handeln würde? Dass sie mir ihr Herz ausschütten und ich endlich verstehen würde, warum sie so verbittert war? Dass wir nach all den Jahren Verständnis füreinander finden würden?
    Ja, ich hatte wohl tatsächlich etwas Derartiges erwartet. Ich war eben jung und naiv.

    Aber diese Geschichte ist wirklich passiert, sie ist kein Roman, und so wird es niemanden überraschen, dass das Gewünschte nicht eintrat. Ich schluckte also meine Enttäuschung herunter und berichtete meiner Mutter von den Todesfällen und hatte dabei ein schlechtes Gewissen, weil ich mir so wichtig vorkam, als ich von den Schicksalsschlägen erzählte, die die Familie ereilt hatten. Zuerst der Major – wie Mr Hamilton das schwarz umrandete Telegramm ernst und feierlich entgegengenommen hatte, wie Jemimas Finger so sehr gezittert hatten, dass es ihr nur mit Mühe gelang, das Kuvert zu öffnen –, dann, wenige Tage später, Lord Ashbury.
    Meine Mutter schüttelte langsam den Kopf, wobei ihr langer, dünner Hals besonders zur Geltung kam, und stellte ihre Teetasse ab. »Ja, davon hatte ich schon gehört. Aber ich wusste nicht, wie viel davon Klatsch war. Du weißt ja, wie hier im Dorf getratscht wird.«
    Ich nickte.
    »Woran ist Lord Ashbury denn gestorben?«, fragte sie.
    »Mr Hamilton meint, es seien zweierlei verschiedene Ursachen gewesen. Zum einen der Schlaganfall und zum anderen die Hitze.«
    Meine Mutter schüttelte wieder den Kopf und kaute auf der Innenseite ihrer Wange herum. »Und was hat Mrs Townsend gesagt?«
    »Sie hat gesagt, es sei

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