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Geheime Tochter

Geheime Tochter

Titel: Geheime Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shilpi Somaya Gowda
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vorbeihastenden Kellner.
    »Hast du deinen Großvater schon mal ins Krankenhaus begleitet?« Er merkt, dass er unwillkürlich in den vertrauten Sprachrhythmus von Mumbai gerutscht ist, eine Mischung aus Hindi, Gujarati und Englisch.
    »Noch nicht. Er ist meistens schon weg, wenn ich mit Dadima zurückkomme. Habe ich dir erzählt, dass wir jeden Morgen zusammen spazieren gehen? Das ist immer richtig schön. Sie ist eine tolle Frau, Dad. Echt schade, dass ich sie erst jetzt kennengelernt habe.«

    Krishnan empfindet ihren letzten Satz als Vorwurf, obwohl er bezweifelt, dass sie es so gemeint hat. »Ja, sie ist eine bemerkenswerte Frau, nicht? Das Alter hat sie nicht sehr gezeichnet.« Beim Essen erzählt Asha, welche Verwandten sie schon alles kennengelernt hat, von der bombastischen Hochzeit, auf der sie war, von den Leuten, mit denen sie bei der Times of India zusammenarbeitet, wo sie in Mumbai schon überall war.
    »Mmm. Das sambar ist köstlich. Wie hast du diesen Laden entdeckt, Asha?«
    »Ein Bekannter … ein Freund, Sanjay, hat mich mit hierher genommen. Er wollte mich rausfordern. Er meinte, ich würde in einem Restaurant, wo keine Ausländer essen, nicht mithalten können, aber ich hab’s geschafft, mit meiner Geheimwaffe.« Sie deutet lächelnd auf ihre Schüssel mit Joghurt.
    Er zieht eine Augenbraue hoch. »Sanjay, hm? Und wo hast du den kennengelernt?«
    Asha nimmt den letzten Bissen von ihrem Essen. »Auf der Hochzeit, von der ich dir erzählt habe. Jemand in seiner Familie ist mit jemandem in unserer befreundet, hab’s nicht genau verstanden.«
    »Was macht Sanjay?«
    »Er ist kurz vor seinem Master an der London School of Economics.« Sie lächelt und schneidet ihm eine Grimasse. »Tut mir leid, Dad, ich habe noch keinen heiratswürdigen indischen Arzt gefunden.«
    »Na hör mal, zwei Ärzte in der Familie sind kein schlechter Schnitt.« Krishnan lächelt unwillkürlich.
    »Und, wie geht’s Mom?«, fragt Asha. »Ist sie über die Feiertage nach San Diego?«
    »Ja, sie wollte unbedingt. Sie war besorgt wegen Grandmas letzter Mammografie und sie wollte mit ihren Ärztensprechen. Sie konnte die Woche über nicht hinfahren, weil in der Klinik so viel zu tun war …« Krishnan fürchtet, dass seine Erklärung zu ausführlich ausfällt. Er und Somer haben vereinbart, Asha noch nichts von ihrer Trennung zu erzählen. Sie wollen damit warten, bis sie wieder nach Hause kommt. Krishnan hofft von Herzen, dass sie sich bis dahin wieder versöhnt haben. Von Somer getrennt zu sein fällt ihm schwerer, als er gedacht hatte. Die letzten zwei Monate hat er sich in die Arbeit gestürzt, freiwillig den Bereitschaftsdienst von Kollegen übernommen und bis spätabends Papierkram im Büro erledigt. Ohne Somer ist es zu Hause unerträglich einsam.
    Aus irgendeinem tief sitzenden Gefühl von Loyalität ihnen beiden gegenüber ringt Krishnan sich jetzt noch eine Lüge mehr ab. »Sie wäre wirklich gern mitgekommen, Asha.«
    »Eigentlich bin ich ganz froh, dass du allein da bist, Dad. Ich wollte nämlich was mit dir besprechen.« Zum ersten Mal seit seiner Ankunft klingt Asha unsicher. Sie wischt sich Hände und Mund mit einer kleinen Papierserviette ab und holt tief Luft. Krishnan hört auf zu essen, spürt, dass jetzt etwas Wichtiges kommt. »Die Sache ist die, Dad. Du weißt, wie lieb ich dich und Mom habe. Ihr seid tolle Eltern. Ich weiß, wie viel ihr für mich getan habt …« Sie verstummt, ist jetzt sichtlich nervös, zerknautscht die Papierserviette zwischen den Händen.
    »Asha, Schätzchen, was ist denn?«, fragt Krishnan.
    Sie blickt zu ihm hoch und platzt heraus: »Ich möchte meine leiblichen Eltern suchen.« Nach einem Moment spricht sie weiter, will offenbar alles aussprechen, was ihr auf der Seele brennt. »Ich möchte wissen, wer sie sind, und rausfinden, ob ich sie kennenlernen kann. Ich weiß, die Chancen stehen schlecht, Dad. Ich habe keinen Schimmer, wo ich anfangen oder wie ich nach ihnen suchen soll, deshalb brauche ich wirklich deine Hilfe.«
    Er betrachtet seine Tochter, deren schöne Augen ihn jetzt groß und forschend anblicken. »Okay«, sagt er.
    »Okay … was?«, sagt Asha.
    »Okay, ich verstehe … wie du dich fühlst. Ich helfe dir, wo ich kann.« Er hat dieses Gespräch schon lange kommen sehen. Auch er ist froh, dass Somer jetzt nicht dabei ist.
    »Glaubst du, Mom wird das verstehen?«, fragt Asha.
    »Es könnte schwer für sie sein, Schätzchen«, sagt Krishnan. »Aber sie liebt dich. Wir

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