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Geheime Tochter

Geheime Tochter

Titel: Geheime Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shilpi Somaya Gowda
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normal zum Ende gekommen ist.
    »Möchtest du irgendwo zu Abend essen?«, fragt Sanjay. »Ich kenne hier in der Nähe eine Pizzeria.«

    »Pizza?«, sagt Asha lachend. »Was, denkst du, die junge Amerikanerin isst nur Pizza?«
    »Na ja, nein, ich habe bloß …« Sanjay wirkt zum ersten Mal verlegen.
    »Wo würdest du denn mit deinen Freunden essen gehen?«, will sie wissen. »Dahin möchte ich.«
    »Na denn.« Er winkt auf dem Marine Drive ein Taxi heran. »Ich kenne da was typisch Indisches.«

45
Eine Lüge mehr
    Mumbai, Indien – 2004
Krishnan

    Krishnan wuchtet seine Reisetasche wieder auf die Schulter und zwängt sich seitlich durch die Schiebetüren, die die letzte Barriere zwischen ihm und seiner Geburtsstadt bilden. Sobald er draußen ist, schließt er die Augen und atmet tief die Mumbai-Luft ein. Genauso, wie er sie in Erinnerung hat. Hinter den Metallsperren sieht er Asha, die einzige junge Frau in westlicher Kleidung, inmitten von Männern.
    »Dad!« Asha winkt ihm mit derselben Begeisterung, die sie schon als kleines Mädchen an den Tag legte, wenn sie an der Haustür auf ihn wartete.
    »Hi, meine Kleine!« Er stellt seine Tasche ab, um sie zu umarmen.
    »Hallo, Onkel«, sagt der junge Mann, der neben ihr steht.
    »Dad, erinnerst du dich an Nimish? Pankaj Onkels Sohn.«
    » Hahnji , ja, natürlich. Schön, dich wiederzusehen«, sagt Krishnan, obwohl ihm sein Neffe nur vage bekannt vorkommt, so wie fast jeder in dieser Menschenmenge ihm bekannt vorkommen könnte. Er ist froh, dass Asha da ist, um ihn vorzustellen.
    »Wie war der Flug?« Sie hakt sich bei ihm ein, als sie zum Wagen gehen.

    »Gut. Lang«, erwidert Krishnan. In den acht Jahren seit seiner letzten Reise nach Indien sind die Sitze schmaler und die Maschinen voller geworden, doch die Vorfreude auf das Wiedersehen mit Asha hat ihm geholfen, die Strapazen zu überstehen.
    Am nächsten Morgen beim Frühstück sagt Asha: »Lass uns heute Mittag essen gehen, Dad. Ich möchte mit dir in ein Lokal, das mir richtig gut gefällt.«
    Krishnan lächelt sie über seine dampfende Tasse chai an, der ihm nie so gut schmeckt wie bei seiner Mutter. »Nanu? Du bist erst ein paar Monate hier und kennst meine Heimatstadt schon wie deine Westentasche?«
    »Na ja, das nicht gerade, aber es hat sich vieles verändert, seit du zuletzt hier warst. Ich kann dir das eine oder andere zeigen.« Sie lächelt zurück.
    Sie hat recht, was die Veränderungen betrifft. Auf der Fahrt vom Flughafen war er erstaunt über die Entwicklung, die die Stadt genommen hat. Ganze Gebäudeblocks stehen inzwischen da, wo früher nichts als Leere war, und überall prangen amerikanische Marken: Coca-Cola-Flaschen, McDonald’s-Restaurants, Merrill-Lynch-Werbetafeln. Die positiven Anzeichen für die Modernisierung sind ebenso unübersehbar wie die negativen Folgen. Als er heute Morgen vom Balkon blickte, war die vertraute Aussicht auf den Meeresstrand fast völlig verdeckt durch den Schleier der Luftverschmutzung.
    »Okay, ich begebe mich in deine Hände.« Krishnan lacht leise.
    »Kluger Mann«, sagt seine Mutter, die den Raum betritt. »Deine Tochter ist genauso willensstark wie du, vielleicht sogar noch mehr.« Sie stellt sich hinter Asha und legt die Hände auf die Schultern ihrer Enkelin.

    Bei dem Anblick seiner Mutter zusammen mit seiner Tochter schnürt es Krishnan kurz die Kehle zu. »Ja, glaub mir, das weiß ich selbst. Was meinst du wohl, warum sie sich noch immer nicht für einen Studienplatz in Medizin beworben hat?«
    »Ach, beta , von dem Gedanken musst du dich verabschieden. Sie hat bereits einen Beruf. Du solltest mal sehen, was für eine wunderbare Arbeit sie bei der Zeitung macht«, sagt seine Mutter.
    »Nach dem Lunch zeige ich dir die Redaktion, Dad.«
    Das Restaurant, das Asha ausgesucht hat, bietet klassische südindische Gerichte an: riesige hauchdünne masala dosas , die knusprig und heiß auf den Tisch kommen, saftige idlis , zu denen scharf gewürztes sambar zum Dippen serviert wird. Das Lokal ist die indische Entsprechung zu einem amerikanischen Diner um die Ecke. Während sie an einem Tisch mit vinylbezogenen Bänken sitzen, fällt Krishnan auf, dass sie die einzigen Nichteinheimischen sind. Er ist überrascht und erfreut, dass seine Tochter sich hier wohlfühlt.
    »Das Zeug schmeckt gut, ist aber höllisch scharf«, sagt Asha und deutet auf die Schüssel mit sambar . »Dazu musst du Joghurt essen.« Sie bestellt welchen in gebrochenem Hindi bei dem

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