Geheime Tochter
Indern.«
Sie setzen sich auf eine Bank vor dem kleinen Laden, jede einen Becher Joghurteis in der Hand. Während sie sich die Vanille-Schoko-Mischung schmecken lassen, plaudern sie weiter. »Bei uns in der Nähe gibt es eine Eisdiele«, sagt Manisha. »Die haben Eis mit paan – Geschmack. Das schmeckt so gut, wie echt. Musst du unbedingt mal probieren.«
Asha nickt bloß und isst weiter. Sie weiß nicht, wie paan schmeckt, ihr Dad hat es sie nur einmal probieren lassen, als sie noch klein war.
»Hast du in Indien schon mal Eis- paan gegessen? Letzten Sommer hab ich meinen Cousinen jeden Abend in den Ohren gelegen, bis sie mit mir eins holen gegangensind. Macht echt süchtig. Musst du probieren, wenn du das nächste Mal da bist.«
Manisha redet anscheinend, ohne eine Antwort zu erwarten, worüber Asha froh ist. So muss sie nicht sagen, dass sie noch nie in Indien war, oder irgendeine Erklärung erfinden. Sie erinnert sich, dass ihr Vater ein paarmal rübergeflogen ist, als sie in der Grundschule war. Sie weiß noch, wie sie ihre Eltern, als sie dachten, sie würde schlafen, darüber hat diskutieren hören, ob Asha ihn begleiten solle oder nicht. Sie kann sich nicht erinnern, ob je die Rede davon war, dass ihre Mom auch mitkommen sollte. Am Ende fanden beide, dass es keine gute Idee wäre, Asha so lang aus der Schule zu nehmen. Jedes Mal, wenn ihr Vater dann abreiste, fuhren sie ihn mit zwei riesigen Koffern zum Flughafen, von denen einer voll mit amerikanischem Schnickschnack und Geschenken war. Alle paar Tage führten sie verrauschte Ferngespräche. Wenn ihr Vater zwei Wochen später zurückkam, war einer der Koffer voll mit Tee und Gewürzen, Sandelholzseife und bunten neuen Anziehsachen für Asha. Ihre Mutter bekam immer eine Batikbluse oder ein besticktes Schultertuch, Sachen, die unweigerlich bei den anderen ganz hinten im Schrank landeten. Und sobald die Koffer wieder im Keller verstaut waren, fiel ihr Leben wieder in den alten Trott.
Manisha steht auf, um zurückzugehen. »He, kommst du am Wochenende zum Raas-Garba?«, fragt sie. »Ich glaube, ich habe dich da noch nie gesehen, aber es ist ja auch immer total überlaufen.«
»Ähm, nein. Ich war noch nie da«, sagt Asha. »Meine Eltern stehen nicht auf so was, schätze ich.«
»Na, da sind sie aber die einzigen indischen Eltern in ganz Nordkalifornien.« Manisha lächelt und wirft ihrenleeren Becher in den Abfalleimer. »Du solltest mal hinkommen, das macht echt Spaß. Ich meine, hey, das ist das einzige Mal, dass mein Dad mir erlaubt, mich aufzubrezeln und mit Freunden am Wochenende tanzen zu gehen, weißt du?«
Asha nickt wieder. Aber sie weiß es nicht. Sie weiß gar nichts.
»Wir müssen über dein Zeugnis sprechen.« Der Ton ihrer Mutter ist ernst. Asha blickt von ihrem Abendessen auf. Ihr Dad beobachtet sie, die Hände vor seinem leeren Teller gefaltet.
»Ich weiß, wieder eine Eins in Englisch, seid ihr stolz auf mich?«, sagt Asha.
»Asha, eine Zwei in Mathe und eine Drei in Chemie?«, sagt ihre Mutter. »Was ist los mit dir? Deine Noten lassen nach, seit du so viel Zeit in die Schülerzeitung steckst. Ich finde, du solltest dich wieder mehr um die Schule kümmern.«
»Ja, das finde ich auch, Asha«, schaltet sich ihr Vater ein und nickt heftig. »Das kommende Jahr ist ungemein wichtig. Deine nächsten Zeugnisnoten sind die wichtigsten fürs College. Du kannst dir keine weiteren Zweien oder Dreien leisten. Du weißt doch, wie bei den Kandidaten für die guten Unis gesiebt wird.«
»Wieso macht ihr so einen Aufstand?«, sagt Asha. »Ich habe bisher immer nur Einsen gehabt. Das letzte Halbjahr ist blöd gelaufen, mehr nicht. Außerdem muss ich nächstes Jahr weder Mathe noch Naturwissenschaft belegen.« Asha starrt stur auf ihren Teller.
»Was soll das denn heißen?«, fragt ihr Dad, dessen Stimme in die tiefe Tonlage der Enttäuschung sinkt, wovor Asha immer graut. »Du hast noch zwei Jahre Highschool vor dir, und diese Noten könnten deine Bewerbungen gefährden. Es wird ernst, Asha, es geht hier um deine Zukunft!« Er schiebt sich vom Tisch weg, und das Quietschen der Stuhlbeine auf dem Küchenboden unterstreicht seinen Standpunkt.
»Hör mal, du hast immer noch Zeit, deine Noten für dieses Jahr zu verbessern«, sagt ihre Mom. »Ich kann dir bei Chemie helfen, oder du kriegst Nachhilfe.« Ihre Mutter umklammert die Tischkante mit beiden Händen, als würde sie jeden Augenblick mit einem Erdbeben rechnen.
»Ich brauche keine
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