Geheime Tochter
ein paar hundert Rupien. Sie kratzt heftig die verkrusteten Reisreste am Topfboden ab.
Die Wohnungstür öffnet sich. »Hallo.« Jasu bleibt stehen, um Vijay durchs Haar zu wuscheln, geht dann in die Küche, wo Kavita das Essen für ihn warm macht. »Hallo, chakli .« Er schlingt von hinten die Arme um sie und legt das Kinn auf ihren Kopf. »Mmmm. Dal-bhath «, sagt er und schnuppert am Essen. »Zum Glück ist meine Frau eine so gute Köchin, dass sie dal-bhath immer wieder anders zubereiten kann.« Er grinst und geht zurück zu Vijay, tätschelt sich den Bauch. »He, Vijay, wir sind echte Glückspilze, dass deine Mutter so gut kochen kann, was?«
Die vorübergehende Heiterkeit wird unterbrochen, als es laut an der Tür klopft und gleich darauf Manishs wütende Stimme ertönt. »Jasu? He, Jasu! Ich weiß, dass du dabist. Ich kann deine schweren, faulen Schritte über meinem Kopf hören. Mach sofort auf, oder ich trete die Tür ein.«
»Was will der Halsabschneider um diese Uhrzeit?« Jasu strebt zur Tür, und als er sie aufreißt, steht Manish davor. Sein behaarter Bauch quillt zwischen einem abgetragenen Unterhemd und einer Hose mit Kordelzug hervor. Er hat einen Wochenbart, die Augen sind blutunterlaufen, und er riecht nach Alkohol. Kavita packt Jasus Unterarm, hofft, mit dem Druck ihrer Hand seine Reaktion bändigen zu können.
»Manish, es ist spät. Was ist so wichtig, dass es nicht bis morgen warten kann, hä?« Jasus Stimme ist fest, und er will die Tür wieder schließen.
Verblüffend flink hebt Manish einen schwabbeligen Arm, um die Tür zu blockieren. »Pass auf, du Faulpelz. Ihr seid mit der Miete zwei Wochen im Rückstand, und jetzt reicht’s«, brüllt er.
Jasu versperrt den halb geöffneten Eingang, schirmt Kavita und Vijay ab, die hinter ihm stehen. »Manish bhai «, sagt er mit sanfterer Stimme. »Ich bezahle ja. Bin ich Ihnen in den acht Jahren, die wir hier wohnen, je die Miete schuldig geblieben? Ich hatte in letzter Zeit etwas Pech mit meiner Arbeit und … ich brauche nur noch ein wenig Zeit.«
»Zeit? Ich habe keine Zeit, Jasu. Ihr stehlt mir das Geld aus der Tasche, hörst du?« Manish fuchtelt mit der Faust in der Luft. »Glaubt ihr, ihr seid die Einzigen, die diese Wohnung wollen? Die Leute, die nur drauf warten, hier einzuziehen, stehen vom Ozean bis hierher Schlange, und alle sind bereit, pünktlich zu zahlen. Ich kann nicht länger auf dein Geld warten, Jasu!«
»Manish bhai , bitte. Sie können uns nicht rauswerfen.Es geht hier um meine Familie.« Jasu öffnet die Tür ein Stück weiter, sodass Kavita und Vijay zu sehen sind. »Sie kennen uns doch.« Er schlägt einen bemüht seriösen Ton an. »Ich verspreche, Sie kriegen Ihr Geld. Bitte, Manish bhai .« Jasu legt die Handflächen zum Zeichen der Versöhnung aneinander. Kavita hält die Luft an.
Manish schüttelt den Kopf und atmet laut aus. »Freitag, Jasu. Ihr habt Zeit bis Freitag, keinen Tag länger. Dann seid ihr draußen.« Er dreht sich um und watschelt rasch den Flur hinunter, auf dem sich Kakerlaken schleunigst in Sicherheit bringen.
Jasu schließt die Tür. Er legt die Stirn dagegen und seufzt tief, ehe er sich zu seiner Familie umdreht. »So ein Gierhals. Acht Jahre lang haben wir den Mann Monat für Monat pünktlich bezahlt.« Jasu marschiert Richtung Küche. »Wir haben uns mit seinen dreckigen Toiletten abgefunden oder damit, dass er uns ohne Vorwarnung das Wasser abdreht, und nicht ein einziges Mal haben wir uns beschwert.« Er droht mit der Faust Richtung Tür. »Und jetzt will er uns rausschmeißen wegen nichts. Mistkerl.« Jasu nimmt Kavita das thali aus der zitternden Hand, geht damit in die Küche und setzt sich hin. »Er kann froh sein, dass ich ihn mir nicht vorknöpfe.« Er nimmt einen Mundvoll dal-bhath und kaut wütend.
»Dann tu’s doch, Papa«, sagt Vijay, der am Eingang zur Küche steht.
»Was?«, sagt Jasu, ohne von seinem Essen aufzublicken.
»Tu was, damit Manish nicht wütend wird und ständig herkommt. Gestern war er auch hier, und Mummy hatte Angst …«
Kavita sieht in den Augen ihres Sohnes, wie frustriert und enttäuscht er ist, und weiß, dass Jasu es auch sehen wird. »Nein, nein, halb so wild. Ich hatte keine Angst. Papahat sich drum gekümmert, achha? Na los, mach deine Hausaufgaben fertig«, sagt sie und deutet auf die Bücher und Blätter, die auf dem Boden liegen.
»Was, Vijay? Was soll ich denn tun? Der Mann ist ein Schurke. Er nutzt hart arbeitende Menschen aus. Dagegen sind
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