Geheime Versuchung
dunkelbraunen Augen schimmerten im Mondlicht. »Ich wollte mit dir reden.« Judd trug ein weißes T-Shirt und Jeans, der Wind fuhr durch sein Haar. Er sah jung aus und so unbekümmert wie die Rekruten des Rudels.
Das schien natürlich nur so, jedoch … »Du bist glücklich.« Es war immer noch eigenartig, so etwas auszusprechen, sich einzugestehen, dass sein Bruder Silentium gebrochen hatte – das eisige Programm, in das man ihn durch gnadenlose Folter gezwungen hatte –, dass er nun frei war, fühlen und lieben konnte.
Walkers Silentium war nie ganz rein gewesen, obwohl er die Defekte mit seinen telepathischen Fähigkeiten so gut verborgen hatte, dass niemand Verdacht schöpfen konnte. Er durfte nicht zeigen, dass er für seine Schwester und seinen Bruder gestorben wäre … und später auch für seine Tochter, seine Nichte und seinen Neffen. So hatte er seine Fähigkeiten immer weiter verfeinert und ausgebaut.
Trotz der fehlerhaften Konditionierung hatten die Jahre der unbarmherzigen Kontrolle ihre Spuren hinterlassen. In vielen Bereichen hatte Judd sogar mehr erreicht als er.
Das Lachen seines Bruders bestätigte Walkers Vermutung. »Brenna hat mich dazu gebracht, mir eine Sendung anzuschauen, in der das perfekte Hochzeitskleid gesucht wurde«, sagte Judd. »Und nicht nur das, ich sollte die Kleider auch bewerten.«
Beinahe unvorstellbar, aber Judd war wirklich nicht mehr derselbe, der kaltblütig mit Walker einen Plan entworfen hatte, um sicher das Medialnet zu verlassen, der bereit gewesen war, Herzen am Schlagen zu hindern, Kehlen aufzuschlitzen und mit Geiseln zu erpressen, falls nötig. An das eigene Leben hatte er damals keinen Gedanken verschwendet, sein Blick war tot und ohne Hoffnung gewesen.
Warum interessiert sich Brenna für so etwas?,
fragte Walker telepathisch, obwohl es ihm surreal vorkam, eine solche Frage mit einem ehemaligen Auftragskiller zu besprechen … doch eigenartigerweise tat es gut. Als wären sie ganz normale Männer mit einem ganz normalen Leben und ganz normalen Lieben.
Gestaltwandler wählen doch keine Brautkleider für die Paarungszeremonie.
Brenna hatte ein eisblaues enges Gewand mit Silberschimmer getragen, das Marlee sehr fasziniert hatte.
Judd zuckte die Achseln.
Sie meinte, ich solle es einfach akzeptieren und es als meine Pflicht als Gefährte ansehen, ihr dabei Gesellschaft zu leisten.
Er grinste.
Jede Woche.
Walker fragte sich, was Lara wohl von ihm verlangen würde. Er wollte auch solche Dinge mit ihr erleben, sie in seinem Gedächtnis aufheben, bis die dunklen Schatten der Vergangenheit unter der leuchtenden Gegenwart endgültig begraben waren.
Und, hast du?
Was?
Sie bewertet?
Ja. Offensichtlich habe ich keinen Geschmack.
Judd grinste wieder und Walker spürte, wie seine Wachsamkeit endlich nachließ. Trotz seiner tödlichen Gefährlichkeit war Judd immer Walkers jüngerer Bruder gewesen, den er beschützen musste. Doch er war nicht stark genug dafür gewesen, zu jung, um ihn damals festzuhalten, ihm die Verletzungen zu ersparen, die ihn beinahe zerbrochen hätten. Der unschuldige Junge, den Walker gekannt hatte, war hinter einer zornigen Einsamkeit verschwunden, weil er glaubte, seine Familie hätte ihn verlassen.
Seinen Bruder nun so glücklich zu sehen war ein Geschenk. »Worüber wolltest du mit mir reden?«
»Ich habe dir doch erzählt, dass ich Kontakt zu anderen Gardisten habe«, sagte Judd in die nächtliche Stille hinein. »Kannst du dich noch an Aden erinnern?«
3
Walker ging in Gedanken zwei Jahrzehnte zurück zu dem Bild eines kleinen Jungen mit schräggestellten braunen Augen und seidig glänzendem schwarzem Haar, das man kurz geschoren hatte, um es zu bändigen.
Er wirkte zerbrechlich, man sah die Knochen unter der Haut, doch der Junge hatte einen ähnlich starken Willen wie die Laurens und einen Verstand wie Walker. Er war ein Telepath, dessen Stärke man in ihrer Subtilität nicht gleich erkannt hatte. Wie Walker hatte man ihn der falschen Kategorie zugeordnet, er verfügte über weit gefährlichere Kräfte, als offiziell bekannt war.
Adens Augen weiteten sich vor Schreck, als er begriff, dass Walker die Wahrheit erkannt hatte
. »Werden Sie mich verraten?«
Die Stimme eines Kindes, doch der Blick eines Uralten.
»Nein.«
Er würde nie eines seiner Kinder verraten
. »Ich werde dir beibringen, deine Fähigkeiten besser zu verbergen, damit dich niemand entdeckt.«
»Warum?«
Ganz direkt.
»Weil du weder Schmerz noch Angst haben
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