Geheimer Krieg: Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird (German Edition)
hat er auf seiner Seite. Deutschland steht ihm bei.
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Ist es mit deutschem Recht vereinbar, die Hinrichtung eines Terrorverdächtigen in Deutschland zu planen und zu befehlen? Und wäre AFRICOM verantwortlich für die gezielten Tötungen? Die Fragen treiben uns seit den Anfängen unserer Recherche um.
Darum treffen wir uns mit dem ehemaligen Bundesrichter Wolfgang Nešković zum Mittagessen in der «Parlamentarischen Gesellschaft» in Berlin. Wir sitzen im Garten des elitären Clubs und bestellen frische Erdbeeren zum Nachtisch. Journalisten haben hier nur selten Zutritt, ohne die Begleitung eines Bundestagsabgeordneten kommt man nicht hinein. Nešković ist inzwischen Bundestagsabgeordneter. Mit ihm sprechen wir über die Rechtslage in der Bundesrepublik. Schließlich beherbergt Deutschland das Hauptquartier des tödlichen Afrika-Kommandos. Am Fall einer gezielten Hinrichtung, die von Stuttgart aus befehligt wurde, wollen wir die Situation mit ihm erörtern. Der Drohnenangriff fand am 21 . Januar 2012 statt.
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Bilal al-Berjawi ist verzweifelt. Der Brite möchte endlich wissen, wie es seiner Frau in England ergeht. Wochenlang hat der 27 -Jährige sich nicht bei ihr gemeldet, aus Angst seine Verfolger zu seinem Aufenthaltsort zu lenken, wenn er ein Telefon benutzte. Aber jetzt will er unbedingt wissen, ob sein Baby schon zur Welt gekommen ist und wie seine Frau die Geburt überstanden hat. Und ob er Vater eines Jungen oder eines Mädchens geworden ist.
Als seine Frau ihn an diesem Januarvormittag in Somalia anruft, nimmt al-Berjawi das Gespräch an. Sie hat gute Nachrichten für ihn: Es ist eine Junge. Er ist gesund. Ihr erstes gemeinsames Kind ist in London geboren.
Einige Stunden nach dem Telefonat setzt sich al-Berjawi in sein Auto und fährt mit einem Freund die Asphaltpiste von Elasha entlang – ein ruhiger Vorort der somalischen Hauptstadt Mogadischu. In Somalia herrscht gerade die lange Jilaal-Trockenzeit, es ist heiß und staubig. Links und rechts der Straße glühen die Blechdächer der Häuser in der Sonne, vollverschleierte Frauen kaufen Reis in den Läden, Esel ziehen Karren am Straßenrand.
Kurz nach 14 Uhr schlagen drei Raketen auf der Straße ein, das Auto von Bilal al-Berjawi geht in Flammen auf. Der junge Vater und sein Begleiter sind sofort tot. Das Funksignal seines Mobiltelefons hat die US -Luftwaffe wohl tatsächlich zu seinem Aufenthaltsort gelotst. Schon länger hat das Pentagon al-Berjawi gesucht. Für die US -Regierung ist der Mann ein gefährlicher al-Qaida-Terrorist gewesen, der die afrikanische Terrororganisation al-Shabaab im Kampf unterstützte.
Die Nachrichtenagentur
Associated Press
berichtet danach, dass es Elitesoldaten der US -Spezialkräfte-Truppe JSOC waren, die sein Auto bombardiert haben. Das Pentagon bestätigt diese Darstellung nicht. Es dementiert sie aber auch nicht.
Da der moderne Krieg in einem Schattenreich stattfindet und es selten in die Nachrichten schafft, gibt es grundsätzlich keine offiziellen Bestätigungen von geheimen Attacken in Afrika. Die US -Regierung gibt keine Zahlen heraus, über Erfolge nicht, über getötete Zivilisten schon gar nicht.
Auch vor dem Tod des jungen Vaters hat es Drohnenangriffe in Afrika gegeben. Aber selten gibt es dafür Bestätigungen aus zwei unabhängigen Quellen – wie im Fall dieses Angriffs vom 21 . Januar 2012 . Darum gilt Bilal al-Berjawi bis heute als erster Mensch, der nachweislich durch eine US -Drohne in Afrika getötet wurde.
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In Wahrheit begannen in Somalia die gezielten Drohnen-Tötungen aus der Luft im amerikanischen «Krieg gegen den Terror» bereits 2011 . Seitdem soll das US -Militär mindestens neun Kampfdrohnen-Einsätze geflogen haben. Nach unterschiedlichen Angaben sind dabei bis zu 29 Menschen hingerichtet worden – unter den Opfern soll sich auch eine unbekannte Zahl unbeteiligter Zivilisten befunden haben.
So wie im Oktober 2011 , als unbemannte Drohnen ein Feld in der Nähe des Dorfes Dolbiyow im Südwesten Somalias ins Visier nahmen. Die Piloten und Sensor Operators in ihrem Cockpit irgendwo auf einer Air Force Base in den USA hatten einige mutmaßliche al-Shabaab-Kämpfer verfolgt und waren bereit zum Abschuss. Weil die Terroristen jedoch schnell in ihre Autos sprangen und davonrasten, als sie die Drohnen am Himmel bemerkten, trafen die Geschosse vier Bauern. Sie standen mit ihren Kamelen zufällig auf dem Feld und konnten nicht schnell genug fliehen.
Auch in den Tagen danach starben
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