Geheimer Krieg: Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird (German Edition)
Power-Point-Boys.»
Was genau seine Aufgabe ist, verrät er aber nicht. Nur einmal deutet er es an. «Ich arbeite mit Drohnen im Bereich ISR .» Das Kürzel ISR steht für «Intelligence, Surveillance, Reconaissance» – also Geheiminformationen, Überwachung, Aufklärung. Eine typische Job-Beschreibung für Aufklärungs-Analysten. Wäre Dave so ein Analyst, dann würde zu seinen Aufgaben gehören, Ziele für Angriffe zu finden und diese auszukundschaften. Wann verlässt eine Person täglich ihr Haus, auf welchen Straßen fährt sie entlang, wo arbeitet sie? Vielleicht führt er dafür Spione in Afrika, wertet Drohnenbilder aus oder liest in geschlossenen Internet-Foren von Terrororganisationen mit? Kein Wort dazu. Er bleibt stumm, auch am Abend nach einigen weiteren Bieren. «Ich weiß doch selbst nicht viel», sagt er und versucht abzuwehren, «bei uns weiß jeder nur so viel, wie er wissen muss.»
Mittlerweile sitzen wir im Haus auf der Couch. An der Wand hängt ein Matisse-Porträt über dem Kamin. Fast am Ende unseres Gesprächs sagt er: «Ihr versteht doch gar nichts!» Von außen würde man den Krieg mit Kampfdrohnen oft verkennen. «Es ist nicht so, dass jemand einen Knopf drückt und am anderen Ende der Welt stirbt ein Mensch. Wir können nicht einfach so jemanden abknallen», sagt Jameson. Ein Drohnenangriff sei ein komplexes System, in dem sehr viele Menschen an verschiedenen Orten zusammenarbeiteten. Nicht allein der Pilot sei wichtig, sondern auch der Sensor Operator, der Intelligence Analyst, der Mechaniker und viele andere mehr. Stuttgart allein sei nicht entscheidend. Auch die jeweilige afrikanische Start- und Landebasis sei wichtig, das AOC sei wichtig, die Satellitenübertragung.
Bis ein Ziel gefunden und zum Abschuss freigegeben würde, gäbe es lange, ernsthafte Debatten. Sind sich alle sicher, dass eine Person eine ernsthafte Gefahr für die Vereinigten Staaten darstelle, lande sie auf einer «Capture-Kill-Liste». Vor einer Bombardierung entscheide ein «Legal Adviser», ein Militärjurist, ob das Ziel wirklich beschossen werden dürfe. «Es gibt für Drohneneinsätze genau solche Regeln wie für die Infanterie. Wir müssen uns an genaue Checklisten halten.» Dann wird Dave Jameson wieder stumm, schaut nach draußen, wo ein paar Spatzen an einem Meisenknödel picken. «Es ist alles viel komplexer, als ihr denkt!»
*
Nach diesen Tagen in und um Stuttgart herum wissen wir nur eins: Wir müssen weitersuchen. Wenn wir wirklich verstehen wollen, was AFRICOM genau macht, müssen wir noch tiefer eindringen in das Geflecht, welches das Afrika-Kommando rund um den Globus gesponnen hat. Wir kennen jetzt den Kopf, aber wo sind neben Camp Lemonnier in Dschibuti und den geheimen Drohnenbasen die anderen ausführenden Arme und Beine des Kommandos?
Wir sitzen im Bordbistro des ICE auf dem Rückweg nach Berlin und schauen noch mal den Stapel von Ausdrucken durch, der sich mittlerweile angesammelt hat. Organigramme der Struktur des Kommandos, Reden der Kommandeure, eine Weltkarte, diplomatische Depeschen. In einem Dokument aus dem Jahr 2008 fällt uns etwas Merkwürdiges auf. In diesem Hintergrundpapier des Außenministeriums mit dem Titel «Einführung der Gastländer bezüglich der Etablierung des US -Afrikakommandos ( USAFRICOM ) Marine und Armee-Hauptquartiere in Italien» hat ein Beamter ziemlich versteckt unter Punkt 6 zusammengestellt, aus welchen Einheiten sich das neue Kommando in Stuttgart zusammensetzen soll:
Armee-Komponente: 176 Kräfte in Vicenza, Italien
Marine-Element: 46 Kräfte in Neapel, Italien
United States Marine Corps: 38 Kräfte in Stuttgart, Deutschland
Spezial-Kräfte: 151
17 . Luftwaffe und 617 . AOC : 286 in Ramstein, Deutschland
Wir schauen uns fragend an. Unter allen Abteilungen können wir uns zumindest vage etwas vorstellen. Aber was ist ein AOC ? Hatte nicht auch Dave Jameson in unserem langen Gespräch das Kürzel einmal erwähnt? Gegenseitig müssen wir uns eingestehen, nicht genau zu wissen, was mit dieser Abkürzung gemeint ist. Wir sind gespannt. Mit der langsamen GPS -Verbindung unseres Mobiltelefons googeln wir die Buchstabenkombination. Als der Ladebalken endlich voll dargestellt wird, lesen wir: Air and Space Operations Center.
Wir beschließen, nach Ramstein zu fahren.
Teil III Deutschland und der amerikanische Drohnenkrieg
9. Kapitel Bismarckturm und Bank of America
Die Air Base Ramstein aus der Luft
Unsere Neugier hat uns nass
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