Geheimer Krieg: Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird (German Edition)
gemacht. Der Regen rinnt an unseren Nasen herunter, die Brille beschlägt, Kälte und Feuchtigkeit kriechen unter unsere Jacken. Wir stehen auf der Aussichtsplattform des Bismarckturms auf dem Kirchberg in der Nähe von Ramstein.
Über schlammige Wege und durch ein kleines Waldstück sind wir zu dem Turm gewandert, außer uns ist an diesem Tag niemand auf diese Idee gekommen. Wir sind die 19 Meter im Inneren der Sandsteinsäule hinaufgestiegen, die vor über hundert Jahren zum Gedenken an den «Eisernen Reichskanzler» erbaut wurde. Auf der Plattform hat sich der Regen in einer Pfütze gesammelt, Nebel liegt über dem Tal.
Wir haben trotzdem einen schönen Blick über die militärischen Anlagen, die auf der US -Air Base Ramstein entstanden sind. Von oben sieht der Stützpunkt aus wie eine kleine Stadt – mit Einkaufszentrum, Hotel und vielen Bäumen.
Hier auf dem Bismarckturm gibt es die einzige legale Möglichkeit, die Basis von außen einzusehen. Auf dem Schild mit den Aussichtszielen in der Region ist lapidar «Airbase, 4 , 8 km» vermerkt. Mit einem Feldstecher erkennen wir zwischen den Waldflächen auf der Luftwaffenbasis sehr genau, wo die Start- und Landebahn liegt, wo sich die Flugzeughangars befinden und wo die große Mall steht.
Nur ein Gebäude sehen wir von hier oben nicht: Das « 603 rd Air and Space Operations Center», kurz AOC , Spitzname: Wolfshund.
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Was ist eigentlich ein AOC und wie funktioniert das genau? Bevor wir in die Pfalz gefahren sind, haben wir beschlossen, einen Mann zu besuchen, der bereits in einem AOC gearbeitet hat. In Hamburg trafen wir Ulrich Scholz. Der drahtige Mann wirkte schnittig, die Haare militärisch kurz. Man merkte ihm an, dass er jahrzehntelang Uniform getragen hat. Über 35 Jahre diente Scholz bei der Luftwaffe: Er war Kampfjet-Pilot, Oberstleutnant der Bundeswehr und hat einige Zeit in einem AOC in Ramstein gearbeitet. Er ist ein Kenner der US -Flugleitzentrale, hat selbst Ziele für Bombardierungen erfasst. Er erzählte uns über seine Arbeit als Abteilungsleiter einer Aufklärungseinheit der NATO im Air and Space Operations Center. Er blieb dabei sehr sachlich, no Bullshit. Er kam direkt auf den Punkt.
Es herrsche ein großes Missverständnis darüber, wie moderner Krieg funktioniert, sagte Scholz. Die meisten Menschen glaubten noch immer, dass der Krieg in Schützengräben und von Piloten geführt wird. «Der Krieger, der den Kampf führt, der sitzt in Ramstein. Das sind nicht mehr die Piloten in den Kampfflugzeugen wie früher. Die Krieger heute, das sind die Leute, die planen, denken und zuschlagen.»
Die Entscheidung über Leben oder Tod bei einem Angriff trifft heutzutage nicht mehr der Drohnenpilot: «In Ramstein sitzen Leute, die minutiös und in Echtzeit überwachen, wer gerade wo fliegt und wer wo schießt und welche Bilder kommen. Ramstein ist die Operationszentrale.»
Im «Krieg gegen den Terror» gibt es keine Schlachtfelder mehr, auf denen sich Heere gegenüberstehen. Der Krieg hat sich seit den Tagen von Manfred von Richthofen grundlegend verändert. Und der Drohnenpilot in einem Raum irgendwo in der amerikanischen Wüste, der am Ende mit einem Knopfdruck seines Joysticks die Rakete abschießt, ist nur das letzte Glied in einer langen Kette. Aber die Entscheidungen, unter anderem für Einsätze in Afrika, werden im AOC in Deutschland gefällt. Eine Aussage von Luftwaffen-Oberstleutnant Scholz blieb uns im Gedächtnis: «Das Schwert heute sind die Drohnen. Aber das Schwert ist dumm. In Ramstein sind diejenigen, die denken und lenken.»
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Wir lenken unser Auto durch die «Kaiserslautern Military Community», wie Amerikaner die benachbarten Städte Ramstein, Landstuhl, Miesau, Pirmasens und Kaiserslautern der Einfachheit halber nennen. Es ist noch immer nass und kalt in der Pfalz.
Kaiserslautern hat sich seit der Ansiedlung der US -Truppen 1946 von einer Industriestadt zu einem Ort mit Militärstützpunkt gewandelt. Ganze Stadtteile wie Kaiserslautern-Vogelweh erinnern heute eher an Vorstädte in den USA als an eine mittelgroße Stadt in Westdeutschland. Weiße Einfamilienhäuser säumen die Straßen hinter Gitterzäunen. Die Bewohner heben ihr Geld an Automaten der «Bank of America» ab, und statt Fußballplätzen gibt es Basketballkörbe und American-Football-Felder.
Ein dicker Ford-Geländewagen überholt uns, im deutschen Nummernschild taucht die Kombination QW auf – für Einheimische ein Zeichen dafür, dass das Auto auf einen
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