Geheimes Verlangen
Trillerpfeife der Schwimmlehrerin und sah auch nicht, wie die Frau über ihr stand, mit den Fingern schnippte und in die Hände klatschte. Schließlich schwamm sie eilends zu den anderen Kindern hinüber, die sich bereits auf der tiefen Seite des Beckens versammelt hatten. Ihr Gesicht leuchtete, am liebsten hätte sie geweint. Vermutlich hatte niemand etwas bemerkt, vermutlich war niemandem aufgefallen, was gerade in ihr vorgegangen war, trotzdem war sie tief beschämt. Ohne genau zu wissen, woher, hatte sie sofort gespürt, dass das Gefühl, das sie gerade kennen gelernt hatte, etwas zutiefst Privates war, das nicht in die Öffentlichkeit gehörte. Gleichzeitig hatte es sie damals immer wieder magisch zu jenem harten Strahl zurückgezogen.
Als sie jetzt mit den Fingern ihre Vulva streichelt, während das Wasser an ihrem Körper herunterläuft, muss sie an jenen Tag zurückdenken. Sie fängt an zu lachen: böses Mädchen. Ob sie dieses Hallenbad mal wieder besucht? Das Gebäude steht jedenfalls noch. Vielleicht gibt es in der Beckenwand immer noch die Düse, aus der damals der Strahl hervorgeschossen kam, ein treuer Freund, der auf ihre Rückkehr wartet. Sie zieht ihre Schamlippen auseinander, bis ihre fleischigen Hautfalten und das Fischauge ihres Kitzlers zu erkennen sind. Das Wasser findet seinen Weg, dünne Rinnsale, die in sämtliche Spalten vordringen, doch die Wirkung ist traurig, belanglos. Sie braucht ihn. Sie braucht sein Gesicht, seine Finger, seine Lunge, seine Zunge, seine wundervollen Berührungen. Wenn sie ihn küsst, entdeckt sie häufig auf seinen Lippen ihren eigenen Geschmack, in letzter Zeit meist ein bitterer chemischer Geschmack, nicht mehr die rauchige Note von ehedem. Ihr ist dieser Geschmack eher unangenehm, doch sie hört von ihm nie eine Klage. Er rutscht im Bett nach unten, um sie zu finden, schiebt ihre Knie nach oben, bis ihre Arschbacken sich öffnen. Ihre Wirbelsäule krümmt sich: vor Sehnsucht nach ihm. Sie überlegt, ob sie für ihn nur interessant ist, weil er gern mit ihr vögelt. Doch das bestreitet er. Angeblich liebt er sie sogar. Eines jedoch würde sie zu gern wissen: Wenn ihr gemeinsamer Sturz durch jenes herrliche Schneegestöber einmal an sein Ende kommt, wie es – wie jeder ihr sagt – unweigerlich geschehen wird, geschehen muss, was wird ihm dann am meisten fehlen: ihr dummes Geschwätz, ihre hausfrauliche Nullbegabung, ihr Gesicht, ihr Geruch, ihre kindischen Witze und ihre gute Laune – oder das Vögeln?
Warum nur? , denkt sie. Warum, warum?
Er ist nun schon verdammt lange weg – eine ganze Woche, so lange wie noch nie. Ihre Augen sehnen sich schmerzlich danach, ihn wiederzusehen, er ist der einzige Quell der Schönheit in der Welt. Sie weiß noch sehr gut, wir irrsinnig sie sich aneinander erfreut haben, als sie noch ein glitzerndes Geheimnis füreinander gewesen, an heißen orgiastischen Nachmittagen wie Sandstürme übereinander hergefallen waren. Damals hätte sie ihn jeden Tag aufgeben und im Rückblick liebevoll über die Affäre mit ihm lächeln können, ohne etwas zu bedauern, ohne das Gefühl eines schwerwiegenden Verlusts. Vermutlich wäre er ihr im Nachhinein wie ein märchenhafter Komet an ihrem Himmel erschienen. Doch wenn er jetzt aus ihrem Leben verschwinden sollte, dann ist alles zu Ende. Ihre ganze Welt wird in die Knie gehen. Sie wird die Kleinigkeiten, die er ihr geschenkt hat, einpacken und verstecken, weil sie den Anblick nicht mehr erträgt. Bis in ihr hohes Alter wird sie diese Geschenke unter Verschluss halten.
Bitte, denkt sie: Bitte, bitte.
Bitte nicht.
Ein spätherbstlicher Sonnenstrahl dringt durch das Fenster herein und hinterlässt auf dem Boden einen leuchtenden Fleck. Wo er sich gerade befindet, ist es jetzt Nacht, doch wenn er aufwacht, scheint auch in seiner Welt dieselbe Sonne, die augenblicklich über ihr am Himmel steht. Sie beschließt, sich in dem Lichtstrahl abzutrocknen. Wer weiß: Vielleicht nimmt die Sonne ein Bild von ihr mit, mit dem sie ihn in jener anderen Welt wachküsst, mit dem sie ihn wärmt. Sie wischt die Spuren ihrer Finger von dem Glas der Duschkabine und dreht die Hähne zu.
E r blickt auf den Fluss hinunter. Die Morgensonne hat die Schatten vertrieben, sie hinter die stattlichen Stützen der Brücke verbannt. In dem trägen, grauen Wasser sind nun weder Schattierungen noch Spiegelungen zu erkennen. Er stützt sich mit den Unterarmen auf das Backsteingeländer der Brücke. Seine Hände baumeln in der
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