Geheimes Verlangen
guter Mensch zu sein.
Er beugt sich leicht vor, die Ellbogen auf den verwitterten Stein gestützt, die Zehen gegen die Wand gedrückt. Ein angenehmes Gefühl, sich mit den Oberschenkeln und dem Unterleib so eng an die Brüstung zu schmiegen. Flussaufwärts kann er weitere Brücken sehen – er lässt ihre ehrwürdigen Namen Revue passieren. Er weiß, dass sie mal als Touristin hier in dieser Stadt gewesen ist, allerdings spricht sie über diesen Besuch nur nebenbei, sodass es ihn insgeheim kränkt. Für ihn ist diese Stadt eine Ehrfurcht gebietende Metropole. Umso weniger versteht er, dass sie die Stadt als schmutzig und verwahrlost abtut und für überschätzt hält. Falls sie je über diese Brücke gegangen und stehen geblieben ist, dann nur, um die im Sturzflug in das Wasser eintauchenden Vögel zu beobachten. Die blaue Tafel, auf der nachzulesen ist, dass an dieser Stelle ein berühmter Mensch von jenem Geländer gesprungen ist, an dem er jetzt lehnt, hat sie gewiss nicht zur Kenntnis genommen. Ebenso wenig dürfte es sie interessiert haben, dass an dieser Stelle – also direkt unter seinen Füßen – einst ein schwer beschädigtes Schlachtschiff unmittelbar vor der Einfahrt in den Hafen gesunken ist. Sie ist nun mal eine Katze: Sie hat bloß Augen für Vögel.
Der Wind hat aufgefrischt, und die funkelnde Gischt verwehrt ihm die freie Sicht. Schlecht von ihr zu denken, verschafft ihm eine merkwürdige Befriedigung. Es fällt ihm leichter, sich vor ihr zu schützen, wenn ihr Glanz ein paar Kratzer hat. Wenn er sie kleiner macht, sie sich ein wenig schwarz malt, kann er sie innerlich leichter auf Abstand halten. Er lehnt sich mit seinem ganzen Gewicht gegen das Geländer, wickelt den Mantel enger um sich und schiebt die Hände in die Taschen. Er ist eine dunkle, einsame, windumtoste Gestalt, wie dieses Land sie schon seit Jahrhunderten immer wieder hervorbringt. Er ist Shelley, er ist Heathcliff, er ist jeder unter der Last des Daseins ächzende Mann, der je von einer Flasche Laudanum den Verschluss abgedreht oder ein Fläschchen Zyankali geleert hat. Einmal hat sie gesagt, dass sie in ihrer Jugend Byron geliebt, als Erwachsene jedoch ziemlich rasch begriffen hat, dass der Dichter lediglich ein selbstgefälliger Trottel gewesen ist. Eine Ignorantin, eine Barbarin, ja das ist sie. Er muss bloß an sie denken, schon hat er eine Erektion. Er massiert seine Eichel mit den Knöcheln seiner Hände, die noch in den Manteltaschen stecken. Die Berührung lässt ihn erschaudern, zieht ihm fast den Boden unter den Füßen weg. Seine Geliebte ist hier, erhebt sich hoch über ihn, mag er es noch so sehr versuchen, sie wie eine Hexe zu verbrennen. Sie ist eine Triffid, die ihn blendet, ein Virus, das ihn bei lebendigem Leib verschlingt. Er drängt sich so nahe an die Wand, dass sich die Steine vorn an seinem Becken und an seinen Knien reiben. Sein knallharter, heißer Schwanz liegt auf seiner hohlen Hand, die unter den Falten seines Mantels verborgen ist. Er starrt flussaufwärts, lässt den Blick auf sich wirken, die Abfolge der Brücken, je weiter entfernt, desto kürzer erscheinen sie, den Strom der Autos, der darüber hinwegfließt, die Vögel und die Schiffe an der Peripherie, die gemächlich schaukelnden Wogen. Er hört hinter sich Autos, eilige Schritte, Fahrradklingeln, Passanten, die in Handys lachen, einen Bus, der dröhnend vorbeirauscht. Er ist mit seinen Gedanken ganz bei sich, spürt den sanften Druck, den seine Hand auf seinen eingesperrten Schwanz ausübt, seine Finger, die sich um seine Eier legen, die Mauer, die ihn an seine ferne Geliebte erinnert: stark – zugleich Widerstand und Schutz. Sie kann ihre gespreizten Beine anheben, ihm ihre Muschi präsentieren, ihn in sich hineinziehen, ihn mit magischen Tentakeln umschlingen. Als er die Augen schließt, erscheinen zwischen seinen Wimpern Tränen. Seine Hand, sein Mantel und sein Schwanz: alles brennend heiß. Er sieht, wie sie vor ihm kniet, ihm ihr Hinterteil entgegendrängt, wie sein Schwanz in sie eindringt: wie sich ihre Arme unnachgiebig wie Eichenholz an das Kopfteil des Bettes klammern. Er hat das Gefühl, einen ganzen Wald zu ficken, hört das Rascheln der Zweige, das Knacken der Äste, das Flattern der Vögel, die in die Luft aufsteigen. Eine halbe Welt von ihr entfernt fickt er sie im Geiste. Er möchte, dass sie sich über dieses Geländer lehnt, und dann möchte er sie so lange stoßen, bis die Sonne oben am Himmel vorbeizieht und sie sich
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