Geheimnis der Leidenschaft
hatte sie gewusst.
»Aber Rio war anders«, erzählte Hunsaker weiter. »Wenn er genug hatte, dann ging er einfach für eine Weile hinaus in die Berge und kam zurück ... ruhig, nehme ich an. Ja, ruhig.« Er lächelte ein wenig grimmig. »Natürlich hat auch die Tatsache, dass er von Zeit zu Zeit mehr als einen vorlauten Hundesohn zusammengeschlagen hat, dazu beigetragen, ihn zu beruhigen, könnte ich mir vorstellen.«
Hopes Hände schlossen sich so fest um das Lenkrad von Behemoth, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, dass Rio wegen seiner Hautfarbe und Abstammung verletzt worden war.
Genau wie die Frau, die so blind und dumm gewesen war, dass sie sich geweigert hatte, Rios Kind zu bekommen. Allein der Gedanke daran machte Hope schrecklich wütend.
Sie würde sogar ihren Brunnen dafür hergeben, wenn sie von Rio ein Baby bekommen könnte.
Vielleicht klappt es ja diesmal. Vielleicht ist ja der Februar der Monat, in dem meine Periode nicht kommt.
»Wie haben Sie Rio kennen gelernt?«, wollte Hunsaker wissen.
Er musste die Frage noch zweimal wiederholen, ehe Hope ihn überhaupt hörte. Sie war gefangen in ihren Erinnerungen und in der Sehnsucht, die sie nie verlassen hatte, und in dem Traum, den sie immer wieder träumen musste, ganz gleich, wie gering die Möglichkeit geworden war, dass er je wahr werden würde.
Ein unmöglicher Traum war schon Wahrheit geworden. Warum also nicht auch ein zweiter?«
»Die Leute haben ihm gesagt, dass ich Wasser brauchte«, sagte sie. »Verzweifelt.«
Hunsaker nickte. »Ja, das ist Rio. Immer bereit, zu helfen.«
Hope erinnerte sich an ihn, an seine Hände mit den langen, schlanken Fingern, die so stark waren, geschickt mit den Maschinen, geschickt mit den Pferden, geschickt bei ihr. Er hatte viel zu geben und zu nehmen und zu teilen.
»Komisch«, fuhr Hunsaker fort, »Rio war gut in seiner Arbeit, wirklich gut. Er hätte ein reicher Mann werden können, hätte das Geld nehmen und es jedem Heuchler, der ihm je begegnet ist, in den Rachen schieben können.«
»Das ist aber nicht seine Art.«
Hunsaker nickte. »Stattdessen ist er umhergewandert, bis er jemanden gefunden hat, dem das Leben wirklich übel mitgespielt hat. Wenn derjenige die Kraft hatte, zu kämpfen, dann hat er ihm geholfen. Er hat nicht um Geld gebeten. Die Menschen, denen er geholfen hat, haben ihn mit ihren Ernten, mit Rindern oder einem Platz zum Schlafen bezahlt, was auch immer sie ihm geben konnten. Er besitzt überall im Westen Herden auf den Weiden, alles Teil seiner Bezahlung. Aber niemals hat er Geld genommen. In keinem Fall.«
»Die Menschen bezahlen ihn mit ihren Träumen«, sagte sie.
»Was?«
»Rio ist ein Mann ohne Träume. Wenn er Menschen findet, die träumen können, dann hilft er ihnen und teilt für eine Weile ihren Traum mit ihnen.«
Hunsaker schwieg lange, während er das Land betrachtete und die Frau noch einmal einschätzte, die neben ihm saß.
»Auf diese Art habe ich das noch nie gesehen, aber Sie haben vollkommen Recht«, meinte er schließlich. »Sie müssen ihm näher gestanden haben als die meisten anderen Menschen.«
Sie antwortete nicht.
Hunsaker öffnete das Fenster, zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch hinaus. Kalte Luft drang in den Wagen, aber das machte weder ihr noch ihm etwas aus.
»Eine verdammte Schande, dass niemand Rio geholfen hat, als er noch jung genug war, um zu träumen«, murmelte Hunsaker leise vor sich hin.
»Wie meinen Sie das?«
»Er hatte eine verteufelte Kindheit. Seine Mutter und sein Vater haben beide getrunken, und er rannte ständig auf der Straße herum. Als er zu wild wurde, haben sie ihn in ein Reservat zu seinen Großeltern gebracht und sind verschwunden.«
»Wie alt war er damals?«
»Zwölf, dreizehn.« Hunsaker zog an seiner Zigarette und seufzte. »Ich weiß nicht, was sein Großvater getan hat, um Rio auf den richtigen Weg zu führen. Er war ein zäher alter Indianer, nach allem, was ich gehört habe. Er besaß genauso viel Nachgiebigkeit wie ein Fels.«
Hope konzentrierte sich auf den Weg, doch was sie sah, war Rio, ein jüngerer Rio, aufsässig und einsam. »Leben seine Eltern noch?«
»Wohl kaum. Auf dem Weg von einer Bar nach Hause haben sie ihr Auto um einen Telefonmast gewickelt. Rio muss damals ungefähr fünfzehn gewesen sein.«
Sie zuckte zusammen und umklammerte das Lenkrad so fest, dass ihre Hände schmerzten. Die Liebe zu Rio stieg in ihr auf wie
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