Geheimnis der Leidenschaft
den Bildern in seinem Kopf. »Das Basin- und das Range-Land reißt auseinander, genau wie der Atlantik. Basalt schiebt sich von tief unter der Oberfläche hoch und zerbricht die Erdkruste in Tausende von Verwerfungen. Ein Teil des Landes entlang der Verwerfungen hebt sich, ein anderer Teil senkt sich, und dann schieben sich große Landbrocken hoch wie ein Hund, der sich auf die Hinterbeine setzt, nachdem er in der Sonne geschlafen hat.«
Hope lächelte bei dem Bild der Landblöcke, die ihre Lage veränderten wie der Rücken eines großen, zottigen Hundes.
»So entstanden unsere Gebirge«, sagte er. »Durch das Hochschieben. Schauen Sie dort drüben hin. Sehen Sie es?«
Sie folgte seinem Blick von den Perdidas zu der entfernten Ebene, die vor Hitze flimmerte.
»Diese Erhebung ist der Grund dafür, warum die westliche Seite der Berge nicht so steil ist wie die östliche«, erklärte er. »Die Erhebung an der Ostseite der Felsen ist größer. Wenn man mit dem Verstand schaut und zugleich mit den Augen, dann kann man erkennen, wie zwei Landblöcke zerrissen werden, sich zurückbewegen, sich erheben und Berge in den Himmel wachsen. Und je höher die Berge werden, desto mehr Wolken werden aus dem Himmel geholt und desto weniger Regen fällt auf der östlichen Seite. Auf der trockenen Seite.«
»Sonnental.«
»Ja. Und viele andere Täler auch. Das ist ein Teil des Wasserproblems. Das Basin- und Range-Land liegt im Regenschatten der Berge der Sierra Nevada. Es sind junge Berge, sie sind groß und werden immer größer und halten die Wolken ab, die vom Pazifik kommen. Sie lassen sie ausregnen, und nur sehr wenig Regen gelangt auf die andere Seite. Es ist so, als würden die Berge einen Schatten werfen, in dem es nur selten regnet.«
Er rutschte ein wenig im Sattel hin und her, legte die Handflächen auf den Sattelknauf und betrachtete dann das Land, das er in seiner Seele fühlte und mit seinen Augen sah.
»Okay, im Regenschatten zu leben, das ist ein Teil meines Problems«, sagte Hope. »Und was ist der Rest?«
»Es ist einfach nicht mehr so viel Wasser in der Atmosphäre wie früher«, erklärte Rio schlicht. »Wir leben in einer Trockenperiode. Und ich meine damit nicht nur die letzten Jahrzehnte oder Generationen. Wenn wir vor hunderttausend Jahren über das Basin- und Range-Land geblickt hätten, dann hätten wir Wasser gesehen und keine Salbeibüsche.«
Im ersten Augenblick glaubte sie, Rio würde Spaß machen. Doch ein Blick in sein Gesicht sagte ihr, dass es nicht so war. Er betrachtete das Land mit Augen, die durch die Oberfläche der Wirklichkeit zu den sich bewegenden Kräften darunter blickten - Augen eines Schamanen, dunkler als das Zwielicht und so hypnotisch wie seine Stimme, die in sie drang und sie in Visionen einer Erde einhüllte, die sie sich nie hätte träumen lassen.
»Eine ganze Menge kleiner Seen und zwei große Seen haben dieses Land bedeckt«, sagte er. »Einer dieser Seen war beinahe fünfzehntausend Quadratmeter, der andere war zweiunddreißigtausend Quadratmeter groß.« Als würde er sich daran erinnern, richtete sich sein Blick nach innen. »Es waren tiefe Seen. Hunderte von Metern tief. Sie füllten den
Spalt in diesem Land, dort wo die Erdkruste auseinander gerissen wurde.«
»Aber wie? Gab es damals wirklich so viel mehr Regen?«
»Zum Teil gab es mehr Regen. Doch das meiste Wasser kam aus Quellen und als Schmelzwasser aus den Sierras. Die Berge bekamen damals viel mehr Regen und Schnee ab. Flüsse, die jetzt nur einen Teil des Jahres Wasser führen, donnerten als reißende Ströme von den Bergen herab und füllten die Spalte in der Erdkruste.«
»Und was war mit der Verdunstung? Warum sind die Seen nicht verdunstet, so wie es jetzt geschieht?«
»Damals war es nicht so heiß, also verdunstete auch weniger Wasser. Das Wasser, das in das Great Basin floss, blieb dort und bildete Seen. Die Menschen haben an diesen Seen gelebt, sie haben dort gefischt und die Bergspitzen auf den Inseln erforscht, die mit Pinien bewachsen und mit Gletschern bedeckt waren, sie haben Tiere gejagt, die heute ausgestorben sind, und haben riesige Felder Wildblumen blühen sehen.«
Hope lauschte ihm, ohne sich zu bewegen. Sie war bezaubert von seinen Worten und von dem Mann, der diese Worte aussprach. Während Rio redete, sah sie, wie sich das Land vor ihren Augen veränderte - und sie sah, wie auch er sich veränderte. Sein lässiger Akzent wurde von Worten, Sätzen und Konzepten überdeckt, die für
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