Geheimnis der Liebe: Roman (German Edition)
gerutscht. Ein fiebriger Glanz stand in seinen blicklosen Augen.
»Ich nehme an, die Nachrichten, die Sie erhalten haben, haben Ihnen nicht gefallen«, riet sie und setzte sich vorsichtig auf den nächsten Stuhl.
Er wandte den Kopf, als verfolgte er ihre Bewegungen, den Lauf der Pistole sorgsam abgewandt. »Lassen Sie uns einfach sagen, es ist nicht das, was ich mir erhofft hatte.«
Sie bemühte sich um einen beiläufigen Ton. »Wenn man schlechte Nachrichten erhält, ist es da nicht üblich, den Überbringer zu erschießen, anstatt sich selbst?«
»Ich habe nur eine Pistolenkugel zur Verfügung. Und es fiel mir schwer zu entscheiden, auf welchen der guten Herren Mediziner ich sie abfeuern sollte.«
»Sie haben Ihnen keine Hoffnung gelassen?«
Er schüttelte den Kopf. »Noch nicht einmal einen Krumen. Ach, einer von ihnen – ein Dr. Gilby, glaube ich – hat irgendwelchen Unsinn von sich gegeben, dass sich manchmal Blut hinter den Augen ansammelt nach einem Schlag, wie ich ihn erhalten habe. Wie es aussieht, gab es einen Fall in Deutschland, bei dem die Sehfähigkeit zurückkehrte, nachdem das Blut sich abgebaut hatte. Aber als seine eigenen Kollegen ihn einen Narren schimpften, musste er selbst einräumen, dass es keinen bekannten Fall von Selbstheilung nach einer Zeitspanne von sechs Monaten gibt.«
Samantha hatte den starken Verdacht, dass dieser Dr. Gilby der Arzt mit den freundlichen Augen gewesen war, der ihnen sein Beileid ausgesprochen hatte. »Es tut mir ja so Leid«, sagte sie leise.
»Ich brauche Ihr Mitleid nicht, Miss Wickersham.«
Ob seiner harten Worte verkrampfte sie sich. »Sie haben natürlich Recht. Ich denke, davon haben Sie selbst mehr als genug.«
Einen flüchtigen Moment zuckte es um Gabriels Mundwinkel, als würde er am liebsten lächeln. Vorsichtig legte er die Pistole auf die lederne Schreibunterlage. Obwohl Samantha sie verlangend betrachtete, versuchte sie nicht, sie an sich zu nehmen. Auch halb betrunken und ohne sein Sehvermögen waren seine Reflexe vermutlich immer noch doppelt so schnell wie die ihren.
Er tastete nach der Scotch-Flasche und goss den Rest des Inhaltes in sein Glas, hob es zu einem spöttischen Toast: »Auf das Schicksal, die wankelmütige Herrin, deren Gerechtigkeitssinn nur von ihrem Sinn für Humor übertroffen wird.«
»Gerechtigkeit?«, wiederholte Samantha, völlig verwundert. »Sie können doch unmöglich glauben, dass Sie den Verlust Ihres Augenlichtes verdient haben. Weswegen? Weil Sie ein Held sind?«
Gabriel stellte das Glas so heftig ab, dass der Whisky über den Rand schwappte. »Ich bin kein verdammter Held.«
»Aber natürlich sind Sie das!« Es fiel Samantha nicht sonderlich schwer aufzuzählen, was sie über die Vorgänge wusste, die zu seiner Verwundung geführt hatten – auch wenn ihr Wissen aus Zeitungen wie The Times und der Gazette stammte, die alles hingebungsvoll beschrieben hatten. »Sie haben als Erster den Scharfschützen im Ausguck am Kreuzmast der Redoutable erspäht. Als Sie bemerkten, dass er auf Nelson zielte, haben Sie eine Warnung gerufen und sind dann zum Admiral gerannt, ohne auf Ihre eigene Sicherheit zu achten.«
»Aber ich habe es nicht geschafft, oder?« Gabriel hob das Glas an seine Lippen und leerte es in einem einzigen Zug. »Und er ebenfalls nicht.«
»Nur, weil Sie von einem Schrapnell getroffen und zu Fall gebracht wurden, bevor Sie ihn erreichen konnten.«
Gabriel schwieg eine Weile. Dann fragte er leise: »Wissen Sie, was das Letzte war, das ich gesehen habe, als ich auf dem Deck lag und mich der Gestank meines eigenen Blutes zu ersticken drohte? Ich habe die Kugel den General in die Schulter treffen gesehen. Ich habe seine verwunderte Miene gesehen, als er vor Schmerz zusammenbrach. Danach wurde alles erst rot, dann schwarz.«
»Es ist nicht so, als hätten Sie den Abzug betätigt und ihn getötet.« Samantha beugte sich auf ihrem Sitz vor und fuhr leise, aber mit eindringlichem Ton fort: »Und Sie haben die Schlacht gewonnen. Wegen Nelsons Mut und der Opfer von Männern wie Ihnen wurden die Franzosen besiegt. Sie würden vielleicht immer noch versuchen, unser Land zu erobern, aber Sie haben sie gelehrt, wer der wahre Herr der Meere ist und auf ewig sein wird.«
»Dann sollte ich vermutlich Gott danken, dass ich ein solches Opfer bringen durfte. Und denken Sie nur, wie viel Glück Nelson hatte. Er hat schon einen Arm und ein Auge für König und Vaterland geben dürfen, und dennoch war es ihm
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