Geheimnis der Liebe: Roman (German Edition)
könnte? Wenigstens musste er nicht mit ansehen, wie sie dem sich windenden Welpen den rosa Bauch streichelte oder, schlimmer noch, ihre Nase an dem weichen Hundegesicht rieb. Das Gefühl, das ihn erfasste, war ihm so fremd, dass er eine Minute benötigte, um es zu erkennen. Er war eifersüchtig! Eifersüchtig auf einen räudigen kleinen Köter mit struppigem Fell und dem Mundgeruch eines drei Tage alten Leichnams.
»Vorsicht«, warnte Gabriel, als das Gesäusel und Geschmuse kein Ende nehmen wollte. »Sie könnten Flöhe von ihm kriegen. Oder die Franzosenkrankheit«, fügte er tonlos hinzu.
»Sie brauchen sich wegen der Flöhe keine Sorgen zu machen. Ich habe ihn von Peter und Phillip in einem von Megs alten Waschtrögen draußen auf dem Hof baden lassen.«
»Wo er auch hätte bleiben können, soweit es mich betrifft.«
»Aber dann wären Sie doch seiner Gesellschaft beraubt. Als ich ein kleines Mädchen war, haben wir neben einem alten Mann gewohnt, der nicht mehr sehen konnte. Er hatte einen kleinen Terrier, der sein ständiger Begleiter war. Wenn sein Lakai ihn bei einem Spaziergang geleitete, dann lief der Hund immer an seiner mit Juwelen besetzten Leine voraus und führte ihn um lockere Pflastersteine oder Pfützen herum. Als einmal eine glühende Kohle aus dem Kamin auf den Vorleger fiel, hat der Hund gebellt und so die Dienerschaft alarmiert.« Als habe er nur auf sein Stichwort gewartet, stieß der Hund auf ihrem Arm ein schrilles Bellen aus.
Gabriel zuckte zusammen. »Was für ein kluges Tier. Obwohl ich mir vorstellen kann, dass es am Ende sogar besser gewesen wäre, im eigenen Bett zu verbrennen. War der arme alte Mann am Ende nicht nur blind, sondern auch taub?«
»Lassen Sie sich versichern, dass der Hund ihm ein treuer Freund bis zu dem Tag war, an dem der Mann starb. Sein Lakai hat unserem Stubenmädchen erzählt, der Hund habe tagelang vor der Familiengruft gesessen und auf seinen geliebten Herrn gewartet.« Ihre Stimme klang gedämpft, als ob sie ihr Gesicht im Fell des Hundes bergen würde. »Ist das nicht die rührendste Geschichte, die Sie je gehört haben?«
Gabriel fand die Tatsache überaus faszinierend, dass Samanthas Familie einmal so wohlhabend gewesen war, um ein Stubenmädchen zu beschäftigen. Doch als er sie schnüffeln und in ihren Rocktaschen nach einem Taschentuch suchen hörte, wusste er, dass er verloren hatte. Wenn seine Pflegerin sentimental wurde, war er ihr völlig hilflos ausgeliefert.
Er seufzte. »Wenn Sie schon darauf bestehen, dass ich einen Hund habe, kann es dann nicht wenigstens ein richtiger sein? Ein irischer Wolfshund zum Beispiel, oder vielleicht eine Dogge?«
»Zu schwerfällig. Dieser kleine Kerl hier kann Ihnen überallhin folgen.« Ihre Behauptung unterstreichend, setzte sie das Tier wieder auf Gabriels Schoß.
Ihr Zitronenduft hing in dem Fell, was seinen Verdacht bestätigte, dass die Lakaien den Hund mit Samanthas Lieblingsseife gewaschen hatten. Der Welpe entwand sich seinem Griff und sprang zum Fußende des Bettes. Mit einem tiefen Knurren stürzte er sich auf Gabriels Zehen und begann durch die Daunendecke daran zu knabbern. Gabriel fletschte die Zähne und knurrte zurück.
»Wie wollen Sie ihn nennen?«, fragte Samantha.
»Das ist nicht geeignet, in Anwesenheit von Damen wiederholt zu werden«, sagte er und befreite seine Zehe aus dem Hundemaul.
»Er ist ein hartnäckiger kleiner Kerl«, verkündete sie, als der Hund auf den Boden plumpste. Da er spürte, wie seine Bettdecke ins Rutschten geriet, fasste Gabriel hastig danach. Ein paar Zentimeter weiter und Miss Wickersham würde sich selbst von der schockierenden Wirkung überzeugen können, die sein Traum und das heisere Säuseln ihrer Stimme auf ihn hatten.
»Er ist ziemlich störrisch und widerspenstig«, pflichtete ihr Gabriel bei. »Sturköpfig. Ihm ist weder mit Vernunft beizukommen, noch kann man es ihm je recht machen. Entschlossen, den eigenen Willen durchzusetzen, selbst wenn das heißt, sich über die Wünsche aller anderen hinwegzusetzen. Hm. Ich denke, ich sollte ihn …« Gabriels Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, während er Samanthas erwartungsvolles Schweigen genoss. » Sam nennen.«
In den folgenden Tagen erhielt Gabriel ausreichend Gelegenheit, den Hund alles Mögliche zu nennen, nur nicht bei seinem Namen. Statt artig vorauszulaufen, um Hindernisse und potentielle Gefahren auszukundschaften, schien das höllische Geschöpf ausnehmend Gefallen daran zu finden,
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