Geheimnis der Liebe: Roman (German Edition)
Doch Gabriels Lungen füllte er wie ein dunkler Nebel düsterer Vorahnung.
Der Hund schlüpfte aus seinen Armen. Immer noch aufgeregt kläffend, rannte Sam ein Stück zum Wald, drehte um, kam zu Gabriel zurück und lief wieder voraus, als drängte er ihn, ihm zu folgen.
Gabriel stand da, hin- und hergerissen zwischen dem Haus und dem Wald. Er musste Hilfe holen, aber Samantha brauchte ihn, und er konnte nicht wissen, wie viel Zeit er dabei verloren hatte, die Zeichen des Hundes zu deuten.
Schließlich drehte er sich – wie er hoffte, zum Haus um – und schrie so laut er konnte: » Feuer! Feuer!« Er hätte schwören können, er hörte, wie ein Fenster geöffnet wurde und eine Frauenstimme etwas rief, aber er hatte keine Zeit, stehen zu bleiben und sich zu vergewissern.
»Bring mich zu ihr, Sam! Los!«, befahl er und folgte dem hysterischen Jaulen des Hundes.
Keiner weiteren Ermutigung bedürfend, verschwand Sam im Wald. Gabriel lief ihm nach, seinen Ast wie ein Schwert schwingend.
Ohne auf die Kratzer der Dornenranken und den beißenden Schmerz zu achten, wenn ihm ein Zweig ins Gesicht schlug, hastete Gabriel wie ein wild gewordenes Tier durch den Wald. Er fiel mehrmals hin, stolperte über verfaulende Baumstämme und hervorstehende Wurzeln. Aber er kämpfte sich immer wieder auf die Füße, ging immer weiter und hielt nur kurz inne, um auf Sams Bellen zu lauschen.
Wenn er zu weit zurückfiel, kam der Hund wieder angelaufen, als wolle er sicherstellen, dass er noch folgte. Mit jedem Schritt, den Gabriel machte, wurde der Rauchgeruch stärker.
Nachdem er sich mühsam durch besonders dickes Unterholz gekämpft hatte, gelangte er auf eine Art Lichtung und blieb stehen. Er legte den Kopf schief und lauschte, hörte nichts als die friedlichen Geräusche des nächtlichen Waldes. Die Panik in sich niederringend, strengte er sich stärker an und konnte schließlich Sams Bellen ausmachen – entfernt, aber immer noch hörbar. Gabriel brach in die Richtung auf, wild entschlossen, Samantha zu erreichen, ehe der Hund wieder umkehren und ihn holen würde.
Der Rauch war nicht mehr nur ein Geruch, sondern hing beinahe greifbar in der Luft, dick und erstickend. Als Gabriel blindlings weiterlief, stieß sein Ast gegen ein Hindernis und brach entzwei. Er schleuderte die Stücke fort. Die Efeuranken vor sich wegreißend, legte er eine Hand flach auf die raue Oberfläche darunter. Die Steinmauer war so heiß, dass er seine Hand erschreckt zurückzog.
Er musste an dem alten Stall sein, ganz am Rand der Fairchild-Ländereien. Das Gebäude war schon vor seiner Geburt aufgegeben und lange nicht mehr genutzt worden.
»Samantha!«, rief er und tastete verzweifelt nach einer Öffnung.
Sam kläffte inzwischen wild, fast schon hysterisch.
Gabriel folgte dem Laut zu einer offenen Tür. Der Hund rannte in den Stall, und Gabriel wusste, es blieb ihm nichts anderes übrig, als auch hineinzugehen. Er konnte es sich nicht leisten abzuwarten, dass jemand aus dem Haus sie fand. Er war Samanthas einzige Hoffnung.
Tief Luft holend, lief er dem Hund hinterher. Er konnte das Knistern und Zischen der Flammen hören, die an den alten Holzbalken über ihm leckten. Beißender Rauch füllte seine Lungen und wollte ihm jegliche Luft rauben.
» Samantha!« , rief er heiser, betete, dass sie ihn noch hören konnte.
Er hatte nur ein paar Schritte gemacht, als er ein lautes Krachen hörte. Ehe er eine Hand abwehrend heben konnte, traf ihn etwas schwer an der Schläfe.
Gabriel begann zu fallen; als er aufkam, befand er sich wieder an Deck der Victory . Schrapnell-Geschosse pfiffen über ihn hinweg, und der bittere Gestank von Kanonensalven versengte ihm die Nase. Blut lief ihm über das Gesicht in Augen und Mund, und als er seinen schmerzenden Kopf hob, sah er Nelson mit verwunderter Miene ganz langsam zusammenbrechen, als verginge die Zeit nur noch im Schneckentempo.
Gabriels Hände ballten sich zu Fäusten. Nelson war während seiner Wache gestorben, Samantha würde das nicht.
Jede Unze Willenskraft zusammenraffend, kämpfte er sich auf die Füße, hielt sich eine Hand vors Gesicht, um sich gegen die vom Heuboden herabregnende Glut zu schützen. Sams Bellen war in ein jämmerliches Winseln übergegangen, das unheimlich menschlich klang.
Sich halb nach vorne werfend, halb kriechend bewegte er sich in Richtung des Lautes. Etwas knirschte unter seinen Schuhsohlen. Als er die Hand danach ausstreckte, ertastete er Samanthas verbogenes,
Weitere Kostenlose Bücher