Geheimnis der Liebe: Roman (German Edition)
zu Clarissa Fairchild, Marquise von Thornwood, zu sprechen.
Weil er ganz genau weiß, was Sie alle denken, wenn Sie ihn anschauen. Ihr Sohn mag zwar blind sein, Mylady, aber dumm ist er nicht.
Als Samantha fertig war, musste er sich zurückhalten, um nicht Beifall klatschend ins Zimmer zu treten und laut Bravo! zu rufen.
»So ist's recht, mein Mädchen«, hatte er geflüstert und mit seinem nächsten Atemzug erkannt, dass das wahrlich stimmte.
Das war der Treffer, unter dem sein Herz getaumelt hatte. Der Treffer, der ihn stolpernd von dem Haus fortgetrieben hatte, um Zuflucht in der kühlen Abgeschiedenheit der Ruine zu suchen.
Gabriel wandte sein Gesicht zu einem Himmel empor, den er nicht sehen konnte, während ihn das fröhliche Plätschern des Baches zu verspotten schien. Fast kam es ihm vor, als hätte er sein Leben lang die Schönheit angebetet, nur um sich in eine Frau zu verlieben, die er nie gesehen hatte.
Es kümmerte ihn noch nicht einmal, wie Samantha aussah, begriff er plötzlich verblüfft. Ihre Schönheit hatte nichts mit sahniger Haut, Wangengrübchen oder langem, schimmerndem Haar in der Farbe warmen Honigs zu tun. Sie konnte so unscheinbar wie ein Troll sein, aber sie wäre für ihn immer noch unwiderstehlich. Ihre Schönheit strahlte von innen – genährt von ihrer Intelligenz, ihrer Leidenschaft, ihrem trotzigen Beharren, ihn zu einem besseren Menschen zu machen, als er es je für möglich gehalten hätte.
Er war nicht länger willens, sich mit weniger zufrieden zu geben. Selbst seine geliebte Cecily hatte sich nur als ein wunderschöner Traum entpuppt, der im grellen Tageslicht zur Bedeutungslosigkeit verblasst war. Er mochte sie nicht sehen können, aber er wusste in seinem Herzen, dass Samantha immer da sein würde, wenn er die Hand nach ihr ausstreckte.
Gabriel tastete nach seinem notdürftigen Gehstock. Er konnte einfach zum Haus zurückgehen und sich seine Schelte abholen. Zweifellos würde Samantha sein Lauschen als den Gipfel schlechter Manieren betrachten. Aber vielleicht würde es ihre Laune verbessern, wenn er ihr gestand, dass er sie mehr als das Leben selbst liebte. Als er sich erhob, musste er grinsen. Er wünschte, er könnte das Gesicht seiner Mutter sehen, wenn er sie von seiner Absicht in Kenntnis setzte, seine Pflegerin zu ehelichen.
Auf halbem Weg zum Haus hörte Gabriel dann ein vertrautes Bellen aus der Richtung des Waldes.
»Was, zum Teufel …«, gelang es ihm auszustoßen, kurz bevor ein kleines, stämmiges Etwas gegen seine Beine prallte und ihn beinahe umwarf.
Noch nicht einmal Sams ungeschickter Übermut konnte Gabriel die Stimmung verderben. »Du wirst noch mal mein Untergang sein«, schalt er und stützte sich Halt suchend auf den Ast.
Während er weiter zum Haus ging, sprang der Hund im Kreis um ihn herum, kläffte wild und machte jeden Schritt zu einem Wagnis. »Was soll das werden, Sam? Willst du die Toten aufwecken?«
Anstelle einer Antwort packte der Collie das Ende des Astes und zerrte daran, riss ihn Gabriel fast aus der Hand. Obwohl Gabriel dagegenhielt, ließ sich Sam nicht erweichen loszulassen. Er grub seine Zähne tiefer ins Holz und knurrte leise.
Mit einem gereizten Fluch kniete sich Gabriel in das taufeuchte Gras. Doch statt in seine Arme zu springen, wie er es erwartet hatte, fasste der Hund Gabriels ohnehin schon mitgenommenen Ärmel mit den Zähnen und begann daran zu ziehen, abwechselnd winselnd und knurrend.
»Um Himmels willen, was ist denn los?« Gabriel versuchte, den Hund in seine Arme zu nehmen, aber Sam wehrte sich, bockte und wand sich wie ein wildes Tier.
Gabriel runzelte die Stirn. Der kleine Collie hasste es, im Dunkeln draußen zu sein. Zu dieser Zeit lag er gewöhnlich zusammengerollt auf Gabriels Kopfkissen und schnarchte zufrieden. Warum sollte er plötzlich freiwillig alleine draußen im Wald sein wollen?
Das konnte nicht sein.
Die leise Stimme in Gabriels Kopf sprach die Wahrheit. Sam würde sich nur dann nachts in die Wälder wagen, wenn er mit jemandem mitging. Jemand, der hier draußen nach Gabriel suchte. Jemand wie Samantha.
Sein wildes Winden ignorierend, roch Gabriel an dem Fell des Hundes. Wie erwartet haftete dem seidigen Haar der Duft von Zitronenmelisse an. Aber die frische Süße wurde überlagert von einem anderen Geruch, bitter und dunkel.
Rauch.
Abrupt stand Gabriel auf, schnupperte. Jeder andere hätte den leichten Anflug von Asche in der Luft einer Rauchschwade aus einem Kamin zugeschrieben.
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