Geheimnis der Liebe: Roman (German Edition)
das hat es aber, und zwar ganz gewiss.« Gabriel schloss einen Moment lang die Augen, erinnerte sich wieder daran, wie Samantha weich und warm in seinen Armen gelegen hatte, wirklicher als alles, was er je erlebt hatte.
Was, wenn wir kein Leben lang haben? Was, wenn uns nur dieser Augenblick bleibt?
Ihre rätselhafte Frage hatte ihn verfolgt, seit er Narr genug gewesen war, sie sich aus den Händen schlüpfen zu lassen. Und aus seinem Bett.
Er öffnete die Augen wieder und betrachtete den gepflegten, schmächtigen Mann, der ihm an seinem Schreibtisch gegenübersaß. Der Schleier über dem, was er erkennen konnte, hatte sich jeden Tag ein wenig mehr gelichtet. In Kürze schon würde er das Haus verlassen können, um selbst die Straßen nach Samantha zu durchkämmen. Bis dahin blieb ihm keine andere Wahl, als diesem Mann zu vertrauen. Danville Steerforth war einer von einem halben Dutzend erfahrener Bow Street Runner. Er und seine Kollegen mit ihren auffälligen roten Westen und den leuchtend blauen Mänteln waren ihm sowohl wegen ihres Könnens als auch wegen ihrer Verschwiegenheit mit höchstem Lob empfohlen worden.
Der Mann schien noch nicht einmal durch Gabriels Narbe eingeschüchtert. Vermutlich hatte er in seinem Beruf schon Schlimmeres gesehen.
»Unsere Suche von Tür zu Tür in Chelsea hat kein Ergebnis gebracht«, unterrichtete ihn Steerforth mit einem Zucken seines karamellbraunen Schnurrbartes. »Hat sie denn wirklich keine anderen Hinweise hinterlassen, wo sie herkommt? Wohin sie gegangen sein könnte?«
Mit dem Daumen über die Klinge des Brieföffners mit dem Messinggriff fahrend, schüttelte Gabriel den Kopf. »Wir haben die Truhe, die sie dagelassen hat, Zentimeter für Zentimeter von oben bis unten mindestens ein Dutzend Mal durchsucht. Ich habe nichts gefunden als ein paar unauffällige Gegenstände und eine Flasche mit Zitronenparfum.«
Er verriet nicht, was er empfunden hatte, als er die Tür ihres Schrankes geöffnet und entdeckt hatte, dass sie seine Geschenke nicht mitgenommen hatte. Geschenke, die er bis zu diesem Moment noch gar nicht gesehen hatte. Als er vorsichtig mit den Fingern über den zarten Musselin des Kleides strich, die weiche Kaschmirstola anfasste und die frivolen rosa Seidenschuhe, die nur zum Tanzen geschaffen waren, hörte er im Geiste wieder die wehmütige Melodie von »Barbara Allen«. Bei seiner sachlichen Aufzählung hatte er weiterhin ausgelassen, dass er ob des vertrauten Zitronendufts, der ihm aus den Kleidern entgegenströmte, rückwärts aus dem Zimmer gestrauchelt war, von schmerzlicher Sehnsucht schier überwältigt.
»Was ist mit ihren Empfehlungsschreiben? Sind die aufgetaucht?«
»Ich fürchte nein. Wie es scheint, hat mein Butler ihr die Briefe noch an just jenem Tag wieder ausgehändigt, als sie ihre Stellung antrat.«
Steerforth seufzte. »Das ist höchst bedauerlich. Selbst ein einziger Name wäre für uns eine Spur gewesen, die wir hätten verfolgen können.«
Gabriel zerbrach sich den Kopf. Da war etwas, das am Rande seines Bewusstseins nagte, eine Kleinigkeit, die sich ihm immer wieder entzog. »Während des ersten Abendessens, das wir gemeinsam eingenommen haben, erwähnte sie eine Familie, für die sie gearbeitet hatte. Caruthers? Carmichael?« Er schnippte mit den Fingern. »Carstairs! Das war es. Sie hat erzählt, sie habe zwei Jahre lang als Gouvernante für Lord und Lady Carstairs gearbeitet.«
Steerforth erhob sich und strahlte neue Zuversicht aus. »Ausgezeichnet, Mylord. Ich werde die Familie sogleich aufsuchen und befragen.«
»Warten Sie«, verlangte Gabriel, als der Mann seinen Gehstock und seinen Hut nahm. Jetzt, da sein Sehvermögen mit jedem Tag besser wurde, konnte er den Gedanken nicht ertragen, weiterhin nur untätig im Haus herumzusitzen und Fremde nach Samantha suchen zu lassen. »Vielleicht wäre es ja am besten, wenn ich selbst mit ihnen spräche.«
Falls Steerforth enttäuscht war, dass er die Ermittlungen entzogen bekam, so wusste er es gut zu verbergen. »Wie Sie wünschen. Sollten Sie irgendwelche Hinweise erhalten, setzen Sie mich bitte unverzüglich in Kenntnis.«
»Darauf können Sie sich verlassen«, versicherte ihm Gabriel.
Steerforth zögerte an der Tür, drehte seinen Filzhut unbehaglich in den Händen. »Verzeihen Sie, wenn ich meine Grenzen überschreite, Lord Sheffield, aber Sie haben mir nie gesagt, weshalb Sie diese Frau so dringend finden wollen. Hat sie Sie beraubt, während sie für Sie gearbeitet
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