Geheimnis des italienische Grafen
Dame vereint, dergleichen findet man nur selten – eine wahre Kostbarkeit.“
Thalia öffnete den Mund, um zu antworten, und schloss ihn wieder, weil sie nichts zu sagen wusste. Sie musste ihren Lachreiz bezähmen. Andererseits gestand sie sich ein, dass sein Kompliment ihrer Eitelkeit schmeichelte.
Schließlich murmelte sie: „Wie ich sehe, gibt es außer dem kulturellen Erbe noch etwas, das den Italienern in die Wiege gelegt wird.“
„Und das wäre, Signorina?“
„Oh, die Kunst des Flirtens. Darin sind sie viel geschickter als die Engländer.“
Sein Lachen klang ein bisschen verwirrt. „Tatsächlich, Signorina Chase? Kennen Sie so viele Italiener?“
Beim Eingang entstand leichte Unruhe. Thalia schaute über Signor de Luccas Schulter hinüber und sah Marco die Trinkhalle betreten, als hätten ihre Gedanken an flirtende Italiener ihn hierher gerufen. Wieder einmal wurde er von Lady Riverton begleitet, die ihn unter einem reich mit Kunstobst verzierten Hut glücklich anlächelte. Obwohl er das Lächeln erwiderte, glaubte Thalia einen Schatten zu erkennen, der über sein Gesicht glitt.
„Nur ein paar kenne ich“, antwortete sie.
Domenico de Lucca folgte ihrem Blick. Da er sich von ihr abgewandt hatte, sah sie sein Gesicht nicht mehr. Doch ihr fiel auf, dass er den Elfenbeingriff seines eleganten Spazierstocks fester umfasste.
„Kennen Sie den Conte di Fabrizzi?“, fragte sie. Dann kam sie sich albern vor. Als müssten alle Italiener – Venezianer oder Florentiner oder Neapolitaner – einander kennen …
Zu ihrer Verblüffung nickte er. „Wir sind alte Freunde.“
„Und nun begegnen Sie sich in Bath. Welch ein Zufall!“
Er schaut sie wieder an und lächelte. Aber auf seiner Stirn, direkt zwischen den schönen Augen, hatte sich eine neue Falte gebildet. „Vielleicht nicht, Signorina Chase. War das alte Bath kein Zufluchtsort für verbannte Römer? Ein Ort, wo sie eine neue Heimat zu schaffen suchten, im Stil der alten?“
Verwirrt spähte sie wieder zu Marco hinüber, der sie beobachtete. Noch immer schwatzte Lady Riverton lebhaft auf ihn ein. Das Gesicht so ernst wie zuvor, schien er ihr nicht zuzuhören. Thalia lächelte ihn unsicher an.
Plötzlich wurde ihr bewusst, wie dicht Domenico de Lucca neben ihr stand. Marcos durchdringender, düsterer Blick zerrte an ihren Nerven.
„Sollen wir … den Conte begrüßen?“, fragte sie zögernd und stockend, was nicht zu ihrem Wesen passte. „Sicher wird er sich freuen, einen Freund aus seinem Vaterland wiederzusehen.“
„Ja, das wäre möglich.“ Domenico lachte leise. „Aber ich glaube, im Moment ist er beschäftigt. Wollen wir stattdessen durch die Halle wandern?“
Sie nickte, nahm wieder den Arm, den er ihr bot, und ließ sich in das Gedränge führen. Obwohl Marco am anderen Ende des Raums stand, glaubte sie seinen brennenden Blick im Rücken zu spüren.
Maledetto! Was machte Domenico in Bath? Noch dazu in Thalias Gesellschaft?
Ungläubig und wütend starrte Marco zu den Fenstern hinüber, wo die beiden lachten und plauderten. Milchig graues Licht fiel auf zwei goldblonde Gestalten von perfekter Schönheit, die scheinbar aus den luftigen Höhen des Olymps in die öden Niederungen der Trinkhalle herabgeschwebt waren.
Gewiss, Domenico war kein übler Kerl und schon jahrelang mit ihm befreundet – seit sie einander als Grünschnäbel beim Militär begegnet und in eine Situation geraten waren, die sie damals noch nicht verstanden hatten. Einerseits war er ein amüsanter Kumpan bei Trinkgelagen, andererseits ein ernsthafter, intelligenter Gesprächspartner, wenn es um wichtige Themen ging.
Und soviel Marco wusste, hatte der Mann noch keine einzige Dame schlecht behandelt.
Aber er wusste auch, dass sich hinter Domenicos umgänglicher Attitüde ein fanatischer Verfechter der großen Sache, der hehren Ideale verbarg. Falls er vermutete, Thalia könnte ihm helfen, jene Ziele zu erreichen, würde er sie ohne Zögern benutzen. Und wenn sie es nicht konnte …
Marco beobachtete, wie sie durch das Fenster auf irgendetwas zeigte – wie Domenico näher zu ihr trat. Nein, er durfte dem Freund nicht erlauben, sie in gefährliche Unternehmungen hineinzuziehen. Was immer auch geplant sein mochte …
Alles tat Marco, um sie zu schützen, hielt sich von ihr fern, widerstand der Lockung ihrer Küsse, trotz der machtvollen Sehnsucht seines Herzens.
In seinem Leben gab es keinen Raum für Thalia – und in ihrem sicher nicht für ihn. Aber er
Weitere Kostenlose Bücher