Geheimnis des Verlangens
verspüre«, sagte sie unverfroren, und sie begleitete ihre Worte mit einem Lächeln, das keinen Zweifel daran ließ, dass dies eine Lüge war, an der sie festhalten würde. »Und ich habe noch mindestens drei Wochen vor mir, bevor ich auch nur einen Gedanken an Wasser verschwende.«
»Ihr habt also die Absicht . Euch Stefan zu widersetzen?«
»Unbedingt.«
Serge stöhnte hinter ihr. Lazar kicherte. Tanya versuchte, zwischen ihnen hindurchzuschlüpfen, solange sie beide abgelenkt waren. Aber dann spürte sie zu ihrem Verdruss , wie sich von hinten ein Arm um ihre Taille legte, und sie hätte schwören können, dass diese Bewegung nicht mehr als ein Reflex war.
»Das ist überhaupt nicht komisch, Lazar«, brummte Serge über ihren Kopf hinweg, wobei er die kleinen Hände, die an seinem Arm zerrten, total ignorierte. »Sie wird Stefan noch wütender machen, als er es ohnehin schon ist, und im Augenblick ist er zu wütend, um ihr auch nur in die Nähe zu kommen.«
»Das weiß er. Darum ist er ja auch gegangen.« Lazar hob mit einer leichten Berührung ihr Kinn, um ihr Gesicht zu studieren, nachdem mindestens die Hälfte seiner Verhärmtheit davon abgewischt war. »Aber ich habe das unbestimmte Gefühl, dass seine Laune sich nicht bessern wird — so oder so«, fügte er nachdenklich hinzu. »Wir haben erwartet, eine Schönheit zu finden, und es sieht so aus, als könnte es doch noch sein, dass es genau das ist, was wir hier haben.«
»Trotzdem schien sie ihm besser zu gefallen, als er dachte, sie wäre keine«, schloss Serge mit einem neuerlichen Stöhnen.
»Genau, was ich denke. Aber ich würde mir keine Sorgen darum machen«, setzte Lazar mit übertriebener Fröhlichkeit hinzu. »Zur Abwechslung wird er nämlich einmal seine schlechte Laune nicht an uns auslassen — sie wird seinen Zorn zu spüren bekommen.«
Falls Lazar Tanya mit diesen Worten dazu bringen wollte, ihre störrische Haltung noch einmal zu überdenken, war sein Versuch ein Fehlschlag. Aber das hieß noch lange nicht, dass diese Worte ihr gefielen. Und ganz bestimmt gefiel es ihr nicht, wie die beiden über ihren Kopf hinweg miteinander sprachen, während sie zwischen ihnen eingeklemmt war.
Sie stach Lazar mit einem spitzen Finger in die Brust und fragte: »Wenn ich Euren König heiraten soll, warum ist dann Stefan derjenige, der mir die Befehle gibt?«
Diese Frage entlockte Lazar aus irgendeinem Grund ein weiteres Grinsen. Ein Scherz, den er offensichtlich mit Serge teilte, da er ihm kurz zuzwinkerte, bevor er antwortete. »Weil Ihr bis zu Eurer Hochzeit in Stefans Obhut gegeben wurdet — und zwar auf Drängen unseres Königs. Also würde es nur zu Eurem Nutzen sein, Prinzessin, mit ihm Frieden zu schließen, statt ihn weiter zu bekämpfen, findet Ihr nicht auch?«
Gütiger Gott, sie hatten aber auch wirklich eine Antwort auf alles! Jede kleine Ungereimtheit in ihrem Komplott, auf die Tanya sie hinwies, wurde sofort logisch erklärt. »Was ich finde, hat bisher nicht die geringste Rolle gespielt, warum sollte es das also jetzt plötzlich tun? Aber beantwortet mir ein Frage: Bedeutet Sie Tatsache, dass ich in Stefans Obhut gegeben wurde, dass er sich Freiheiten bei mir herausnehmen darf?«
Falls all das, was sie ihr gesagt hatten, der Wahrheit entsprach — dass sie wirklich verheiratet werden sollte und alles andere auch —, dann sollte diese Frage Lazar wütend machen oder wenigstens in Verlegenheit bringen. Aber er hörte nicht einmal auf zu grinsen.
»Stefan kann tun, was immer ihm gefällt, Prinzessin«, sagte er lässig. »Er muss sich einzig und allein vor dem König verantworten.«
»Und Vasili könnte es gar nicht gleichgültiger sein.« Diese Tatsache war für Tanya offensichtlich.
» Vasili beugt sich oft Stefans Wünschen; schließlich sind sie Vettern, und Stefan ist der ältere.«
»Aber Vasili ist König!«
Lazar zuckte mit den Schultern, als wollte er damit sagen, es bliebe ja alles in der Familie. Aber dann fragte er: »Wäre es Euch lieber, Stefan wäre der König?«
»Mir wäre es am liebsten, Stefan fiele tot um!«
»Unglücklicherweise für Euch, Prinzessin...« Stefans frostiger Tonfall wehte von der obersten Treppenstufe zu ihnen herüber. »... bin ich einstweilen noch sehr lebendig.«
Kapitel 12
T anya hätte es so lange wie möglich vermieden, Stefan ins Gesicht zu sehen — oder, um genau zu sein, sie hätte gern den Augenblick hinausgezögert, in dem er ihr Gesicht sah. Aber sie hatte in dieser
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