Geheimnis des Verlangens
Weise an ihr rächen zu können. Und sie ließ ihn in dem Glauben.
Aber da war noch eine andere Angelegenheit, um die sie sich kümmern musste . Es würde nichts schaden, wenn sie ein wenig Hilfe dabei b ekam, diese Männer loszuwerden. Und nur Dobbs konnte ihr diese Hilfe beschaffen, indem er jemanden hinter ihr herschickte. Nur konnte er das natürlich unmöglich tun, wenn er nicht einmal wusste , dass sie weg war. Und er hatte von dem ganzen Tumult vor seiner Tür gewiss nichts gehört. Nichts würde ihn darauf aufmerksam gemacht haben, dass etwas nicht stimmte, denn er hatte die Angewohnheit, gleich nach dem Frühstück einzuschlafen. Er schlief dann wie ein Toter, bis das Harem am späten Nachmittag den Betrieb aufnahm. Wenn er etwas gehört hätte, hätte er durchs ganze Haus gebrüllt, um herauszufinden, was los war.
Diesmal blieb Tanya tatsächlich wie angewachsen stehen. »Ihr müßt mir wenigstens erlauben, Dobbs auf Wiedersehen zu sagen.«
Er blieb nicht stehen, und sie wurde einfach weitergezogen — trotz all ihrer Versuche, ihn zurückzuhalten. »Warum?« fragte er. »Er hat uns angelogen, was Euch betraf, ohne zu wissen, weshalb wir Euch suchten. Dieser Mann ist nicht Euer Freund.«
»Das weiß ich, aber er ist immerhin so etwas wie ein Verwandter für mich, und fast der einzige, den ich je gehabt habe.«
»Nicht mehr.«
Die Selbstverständlichkeit, mit der er das sagte, klang so echt, dass sie für einen Augenblick die Fassung verlor. Gott helfe ihr, er war wirklich ein überzeugender Lügner. Aber sie ließ sich nicht zum Narren halten.
»Laßt mich raten«, sagte sie spöttisch. »Ich nehme an, Ihr wollt mir jetzt weismachen, dass Ihr ein Verwandter von mir seid?«
Er hatte sie schon halb die Treppe heruntergezogen und blickte immer noch nicht zurück, als er ihr antwortete. »Wir haben einen gemeinsamen Vorfahren. Fünf Generationen vor uns. Wir sind also sehr, sehr entfernt miteinander verwandt. Um genau zu sein: Ihr seid meine Kusine sechsten Grades.«
»Und davon glaube ich genausoviel wie von dem ganzen Rest, den Ihr mir erzählt habt. Ihr habt einfach nur Angst davor, mir zu gestatten, Dobbs zu sagen, dass ich gehe.«
»Ja, ich glaube, er würde versuchen, das zu verhindern. Schließlich seid Ihr von großem Nutzen für ihn, nicht wahr? Eine Sklavin, die ihn noch nicht einmal etwas gekostet hat. Wie bequem für den Mann.«
Sie hatte selbst das gleiche gedacht, als sie alt genug war, um zu begreifen, dass Dobbs nicht das geringste Recht hatte, so viel von ihr zu verlangen. Jetzt war sie seine Haushälterin, Magd, Köchin, Waschfrau, Krankenpflegerin und — für die Taverne — Verwalterin, Angestellte, Einkäuferin, Kellnerin, manchmal sogar Barkeeper oder Tänzerin, nach Meinung von Stefan und seinen Freunden sogar eine Hure, wenn ihre Zeit das erlaubte. Wann, fragte sie sich, hatte sie wohl je einen freien Augenblick gehabt? Aber am Ende würde sie für ein ganzes Leben sklavischer Schufterei doch bezahlt werden, mit dem Harem.
Aber wie dem auch sei, wenn diese Männer ihren Willen durchsetzten, würde sie das verlieren, und ihre Freiheit dazu. Sie beabsichtigten in Wahrheit, eine Hure aus ihr zu machen. Das würde sie auf gar keinen Fall zulassen.
Sie waren schon auf halbem Wege durch den Schankraum, als Stefan innehielt, vielleicht weil er begriff, dass er um seiner Komödie willen seine Taktik ändern musste . »Wenn Ihr wirklich Freunde habt, denen Ihr gern Lebewohl sagen würdet«, lenkte er ein, »und wenn diese Freunde hier in der Nähe wohnen, könnten wir wohl ein oder zwei Minuten für ein paar Abschiedsworte erübrigen.«
Freunde? Die einzigen Freunde, die sie je gehabt hatte, waren Barmädchen, und selbst das hatte sich geändert, seitdem sie hier der Boß war. Außerdem war das wahrscheinlich auch nicht die Art von Freunden, von denen er ihrer Meinung nach sprach, denn sie hatte sich keiner dieser Frauen jemals wirklich nahe gefühlt. Nur Lelia war eine echte Freundin gewesen, doch diese Freundschaft hatte nur ein kurze Zeit gedauert und lag schon lange zurück.
»Ich habe niemanden«, sagte sie, und ihre Antwort machte sie plötzlich traurig. Nie zuvor hatte sie über diesen Mangel in ihrem Leben n achgedacht.
»Nicht einmal einen Liebhaber, den Ihr besonders schätzt?« bohrte Stefan weiter.
Augenblicklich wich ihre Traurigkeit neuem Zorn. »Oh, viel zu viele! Haben wir denn den ganzen Tag Zeit?«
Nach dieser sarkastischen Bemerkung wurde sie unbarmherzig
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