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Geheimnis des Verlangens

Geheimnis des Verlangens

Titel: Geheimnis des Verlangens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Lindsey
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Instinkte. Mit einem ganz besonders üblen Fluch sprang er auf die Füße und verließ den Raum. Lazar und Vasili tauschten einen schnellen Blick, bevor sie ihm nacheilten.
    Serge zündete sich gerade einen Zigarrenstumpen wieder an, als sie ihn auf dem schwach beleuchteten Deck erreichten. »Wo ist sie?« war alles, was Stefan wissen wollte.
    Serge deutete mit dem Kopf auf eine Tür, die sich gerade öffnete. Es blieb ihnen jedoch keine Zeit, sich irgendwelcher Erleichterung darüber, dass Tanya noch an Bord war, hinzugeben, weil sie noch im selben Augenblick ein Aufblitzen weißer Beine sehen konnten; sie hatte sich den Rock in den Gürtel gestopft — und sie rannte jetzt direkt auf die Reling zu, schwang sich darüber und tauchte mit einem einwandfreien Sprung ins Wasser — direkt vor den Schaufelrädern.
    Stefan hätte später beschwören können, dass sein Herz in diesem Augenblick vor Angst und Entsetzen zu schlagen aufhörte. Er beugte sich über die Reling und suchte verzweifelt nach einem Zeichen dafür, dass das Mädchen nicht in die riesige Seitenschaufel, die an diesem Teil des Schiffes das Wasser zu Schaum aufwühlte, hineingezogen und in Stücke gerissen worden war. Und dann dämmerte es ihm, dass gerade wegen der Schaufelräder, die den Dampfer immer mehr beschleunigten und den Fluß hinuntertrieben, Tanya in diesem Augenblick schon hinter dem Schiff sein würde — leblos und schwer verletzt im Wasser treibend oder auf ihrem Weg an Land. Die Möglichkeit, sie könne ertrinken, schloss er aus, nachdem er mitangesehen hatte, wie gekonnt sie ihren Kopfsprung ausgeführt hatte. Sein eigener Sprung, mit dem er über Bord ging, war nicht annähernd so überzeugend.
    Die drei Männer, die er an der Reling zurückgelassen hatte, hielten den Atem an, bis Stefan aus der Bahn des Schaufelrades entkommen war. Es war Vasili , der das Schweigen brach: »Wir können wohl nicht einfach nach New Orleans weiterfahren und dort auf Stefan warten?«
    Serge schüttelte langsam den Kopf. Lazar gluckste. Vasili stöhnte. Einen Augenblick später tauchten drei weitere Schatten ins Wasser ein.
     
    Tanya rang nach Luft, als sie sich ans Ufer schleppte. Sie war eine gute Schwimmerin, aber sie hatte es noch nie mit Stiefeln versucht, und sie würde es auch bestimmt nie wieder versuchen. Und gegen den Strom schwimmen? Ihre Muskeln schrien geradezu vor Überanstrengung, und ihre Arme und Beine zitterten. Sie hätte in diesem Augenblick nicht aufstehen und fliehen können, selbst wenn ihr Leben auf dem Spiel gestanden hätte.
    Glücklicherweise musste sie es auch gar nicht. Ein schneller Blick über die Schulter zeigte ihr, dass die Lorelei die Flußbiegung durchfahren hatte und außer Sicht war, genau wie sie es sich ausgerechnet hatte. Sie konnte auch sonst nichts im Wasser erkennen, nicht einmal dahintreibende Trümmer. Allerdings war es jetzt auch extrem dunkel, weil eine dichte Wolkendecke Mond und Sterne verfinsterte. Das war ein großer Vorteil für sie, nur für den Fall, dass doch irgend jemand versucht haben sollte, sie zu >retten<. Das und ihre Idee, so lange zu warten, bis das Schiff an ihr vorbeigefahren war. Auf diese Weise konnte sie an das gegenüberliegende Ufer das Flusses schwimmen, statt in die Richtung, in die sie gesprungen war.
    Falls ihr Glück anhielt, hatte Serge ihren flinken Abgang bis jetzt nicht einmal bemerkt. Außerdem konnte sie ihn sich ohnehin kaum vorstellen, wie er zu ihrer Rettung über Bord sprang. Er hätte erst Stefan geholt, und bis dieser sich seines Mantels und seiner Stiefel entledigt hatte, um seinen tapferen Rettungsversuch zu machen, wäre sie schon lange >ertrunken<. Und genau das würden sie annehmen. Andererseits war das wiederum auch eine Annahme von ihr, und sie wollte nicht noch einmal unvorsichtig sein. Ein paar Minuten Pause, dann würde sie, so schnell sie nur konnte, landeinwärts laufen, weg vom Fluß. Und sie hatte noch einen Vorteil gegenüber all ihren Verfolgern, selbst wenn Serge ihr direkt ins Wasser hinein gefolgt sein sollte. Und dieser Vorteil lag in der Entfernung, die das Boot zwischen ihrem Sprung und dem Sprung eines der Männer zurückgelegt hatte, denn es war die ganze Zeit über weiter flußabwärts gefahren. Außerdem — was sie nicht sehen konnte, konnte sie hören. Und das einzige Geräusch neben ihrem eigenen schweren Atem waren die beruhigenden Klänge des Flusses, das Wasser, das mit leisem Grollen das Ufer entlangfloß — bis sie plötzlich die

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