Geheimnis des Verlangens
Gefühle auch nur die geringste Rolle gespielt hätte.
Warum musste sie sich auch als so liebreizend erweisen? Es war viel leichter gewesen, mit ihr zurechtzukommen, bevor ihre wahre Schönheit zutage getreten war. Da hatte er sich noch nicht so unsicher gefühlt — so verwundbar. Und als ob das noch nicht genug gewesen wäre, was er verkraften musste , war da auch noch seine Bitterkeit über die Tatsache, dass sie nicht so erzogen worden war, wie es hätte sein sollen.
Manchmal stellte selbst ihr Mangel an Unschuld kein Problem für ihn dar, so wie heute abend. So sehr hatte er sie begehrt, dass er schon befürchtet hatte, sich zu verraten und sie mit seinen wahren Gefühlen zu überwältigen. Bei anderen Gelegenheiten konnte er an nichts anderes denken als an ihre plötzlich zutage getretene Schönheit. Und dann gab es Zeiten, da befielen ihn beide Gefühle gleichzeitig, Abscheu wegen ihrer reichhaltigen Erfahrungen mit Männern und ein Verlangen, das selbst seinen Abscheu nicht zum Erlöschen brachte. Er würde sich mit dem einen oder anderen abfinden müssen, sie akzeptieren, wie sie war, oder es nicht tun. Er war sich dessen wohl bewußt, aber dies war im Augenblick sein geringstes Problem. Viel wichtiger war die Frage, was sie empfand. Und aus dieser Frau schlau zu werden, war beinahe unmöglich.
»Stefan, du hörst ja gar nicht zu.«
Er sah zu Serge auf und drehte sich dann zu Lazar um, der mit ihm gesprochen hatte. Beide Männer verschwammen vor seinen Augen. Gut, vielleicht würde er heute nacht ein wenig Schlaf bekommen. In nüchternem Zustand war das unmöglich. Nicht mit Tatiana in derselben Kabine. Aber jedesmal, wenn A daran gedacht hatte, irgendwo anders zu schlafen, hatte er diese Idee fast augenblicklich von sich gewiesen, und er hätte nicht einmal sagen können, warum. Sie hatte jedenfalls ganz bestimmt keine Probleme, in seiner Nähe zu schlafen. Bis heute nacht hatte sie ihn behandelt, als sei er Luft für sie.
»Hast du irgend etwas gesagt, was der Rede wert wäre?« fragte Stefan.
»Er ist noch nicht betrunken genug«, bemerkte Serge und füllte alle vier Gläser erneut.
»Nur weil er noch halbwegs deutlich sprechen kann ...«
»Mach dir nichts daraus, Stefan«, unterbrach Lazar, » Vasili glaubt, was du brauchst, ist eine Frau, ganz egal welche.«
Jetzt konnte er Lazar wirklich nur noch verschwommen erkennen. » Vasili denkt zuviel.«
»Aber in diesem Falle stimmen wir alle überein. Und diese niedliche kleine Blonde, mit der er, seit wir an Bord gekommen sind, seine Nächte verbringt, wartet schon in seiner Kabine auf ihn. Sie gehört dir, wenn du sie willst.«
Stefan warf den Kopf herum, und diese Bewegung trug ihm einen leichten Schwindelanfall ein. »Du verleihst also wieder mal deine Weiber, Vetter?«
Vasili zuckte die Achseln. »Für einen guten Zweck.«
»Immer großzügig, eh? Und ich weiß es auch wirklich zu schätzen, Vasili . Aber wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, und da bin ich mir im Augenblick natürlich nicht ganz sicher, ist diese kleine Blonde viel zu hübsch für mich.«
»Gott, ich hasse es, wenn du ...«
»Verdammt noch mal, Stefan ...«
»Oh, genug«, brummte Stefan, »ihr seid ja die reinsten Wichtigtuer heute abend, alle miteinander. Seit wann kümmere ich mich eigentlich nicht mehr selbst um meine eigenen Angelegenheiten, auf meine Art? Also geht endlich zu Bett. Es besteht überhaupt kein Grund, warum wir morgen alle mit Kopfschmerzen aufwachen sollten.«
»Ich fürchte, dafür ist es schon zu spät.« Serge grinste, während er die bernsteinfarbene Flüssigkeit in seinem Glas kreisen ließ. »Oder habt ihr nicht mitgezählt, wie vielen Flaschen wir heute nacht den Garaus gemacht haben?«
»Und wir würden dir wirklich gern Gesellschaft leisten«, fügte Lazar hinzu.
Stefan leerte sein Glas und schob es zur Seite. »Dann werde ich mich jetzt selbst in Richtung Bett davonmachen. Aber wenn ihr unsere kleine Tanya schreien hört, ignoriert sie einfach. Ich habe mir lediglich euren Rat zu Herzen genommen.«
Die drei anderen starrten ihn mit offenem Mund an. »Meinst du das ernst?« fragte Lazar.
»Warum nicht? Immerhin habe ich eure einmütige Zustimmung. Brauche ich ihre denn wirklich?«
»Stefan, vielleicht solltest du warten, bis ...«
»Stefan, ich glaube nicht...«
»Was soll das jetzt schon wieder? Zweifel? Oder fällt euch plötzlich ein, dass sie eine königliche Prinzessin ist? Aber darum macht euch keine Sorgen. Wenn ich in
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