Geheimnis des Verlangens
mehr davon in Österreich, ganz zu schweigen von den königlichen Palästen, den königlichen Juwelen. Sie würde tonangebend bei Hof sein, ihre Meinung gefragt und begehrt. Sie würde über unglaubliche Macht verfügen, und der einzige, der ihr noch etwas zu sagen hatte, war ihr zukünftiger Ehemann, den sie um ihren kleinen Finger hätte wickeln können, wenn sie es nur versucht hätte. Aber das wusste sie nicht, und alles andere glaubte sie nicht. Trotzdem —bemitleidet ?
Die offensichtliche Antwort war keine Antwort. Sie hatte das nur als Entschuldigung gebraucht, um ihn zurückzuweisen. Er hätte eigentlich darauf gefaßt sein sollen. Er hätte ihr gar nicht erst dieses Angebot machen sollen. Lazar hatte versucht, ihm zu erklären, dass sie nur auf Ärger ausgewesen war, nicht auf ein schnelles Vergnügen in den Laken. Aber Narr, der er war, seitdem er diese Frau zum erstenmal zu Gesicht bekommen hatte, sah er nur das, was er sehen wollte.
»Warum gehst du nicht einfach mit dem Weib ins Bett, damit du die Sache endlich los bist?«
»Halt deinen Mund, Vasili «, knurrte Stefan.
Sie standen zu viert an der Theke im Spielsalon, drei Männer davor und Serge dahinter. Nur einer der Tische im Zimmer war noch immer besetzt. Zwei andere waren bei dem Kampf kurz zuvor zu Bruch gegangen, aber die meisten der Passagiere hatten ohnehin in ihre Betten gefunden. Dasselbe galt für den Barmixer, nachdem er seine Vorräte weggeschlossen hatte. Es hatte einiger weiterer großer Scheine bedurft, zusätzlich zu denen, die für den angerichteten Schaden bereits den Besitzer gewechselt hatten, um den Zahlmeister dazu zu bringen, den Schankraum wieder zu eröffnen.
»Ausnahmsweise hat Vasili einmal recht, Stefan«, sagte Lazar, »es ist besser, als sich jeden Abend sinnlos zu betrinken, nur damit du in demselben Zimmer wie sie schlafen kannst; und am nächsten Tag gehst du dann auf jeden los — auf jeden außer auf sie.«
»Halt deinen Mund, Lazar.«
»Warum laßt ihr beiden ihn nicht für eine Weile allein?« schlug Serge vor. »Trinfeen ist so ungefähr das einzige, wozu ein Mann Zuflucht nehmen kann, wenn die Frau, die er haben will, es ihm so verdammt schwer macht.«
»Halt deinen ...«
»Er war auf deiner Seite, Stefan.«
Stefan warf nur einen finsteren Blick auf sein leeres Glas und riß Serge die Whiskyflasche aus der Hand. Sie hatten zwei Abende zuvor den letzten Wodka ausgetrunken, hatten aber ohnehin schon großes Glück gehabt, überhaupt welchen an Bord zu finden. Bier und Whisky, das war alles, was dieses Land vorrätig zu haben schien. Aber was konnte man schon von einem Land erwarten, das Bastarde wie Dobbs hervorbrachte, die ein Baby in einer Taverne aufziehen konnten! Stefan stieg die Galle hoch, wenn er daran dachte, dass man diesem Mann nun für den Rest seiner Tage jeden Wunsch von den Lippen ablesen würde — dank ihm.
Lazar versuchte es noch mal. »Wenn du nicht mit ihr ins Bett gehen willst, Stefan, warum sagst du ihr dann nicht die Wahrheit? Das könnte vielleicht ihre Meinung ändern.«
Vasili nickte zustimmend und fügte hinzu: »Und es würde uns gestatten, ihr endlich unsere Ausweispapiere zu zeigen, damit sie aufhören kann, an jeder verdammten Kleinigkeit zu zweifeln, die uns über die Lippen kommt.«
Stefan hörte ihnen nicht zu, denn er musste immer noch an Tanyas Gesichtsausdruck denken, als er ihr gesagt hatte, dass er es vorzöge zu glauben, sie brauche so dringend einen Mann, dass sie sogar ihn akzeptieren würde. Sie hatte zuerst so maßlos überrascht ausgesehen, sogar verwirrt; dann hatte sich ihr Ausdruck langsam geändert und ihm klargemacht, dass ihr die Art, wie er sich ausgedrückt hatte, nicht gefallen hatte, überhaupt nicht. Aber das war das einzige gewesen, was er tun konnte, um sie nicht zu küssen. Und sie hatte mit Verbissenheit und Entrüstung auf ihn reagiert. Er hätte sie trotzdem küssen sollen. Sie hatte sich seinen Lippen häufiger hingegeben als verweigert, eine Tatsache, die ihn ebenso entzückte wie sie ihn in Rage brachte.
Er musste zugeben, dass er die ganze Sache ziemlich verpfuscht hatte, aber das überraschte ihn gar nicht. Wenn es um schöne Frauen ging, hatte er nicht das mindeste Taktgefühl. Normalerweise sprach sein Geld für ihn, und das war alles, was notwendig war. Aber nicht bei Tanya. Sie mochte viel, viel weniger von anderen Männern im Laufe ihres Lebens akzeptiert haben, aber sie war zu sehr gegen ihn eingenommen, als dass Geld für ihre
Weitere Kostenlose Bücher