Geheimnis einer Wuestennacht
Nachricht schlug wie ein Blitz in Tahirs Hirn ein. Der brutale Despot, der seine Familie gequält und geknechtet hatte, war also für immer von ihnen gegangen. Dieser miese Tyrann, der seine Frau mit Huren und Dauergeliebten hinterging, seine Brut , wie er es nannte, mit Drohungen und drakonischen Strafen regierte und Tahir das Leben zur Hölle gemacht hatte â bis er alt genug war, um sich gegen seinen Vater zu wehren.
Und als er etwas tat, worauf der alte Scheich wahrscheinlich selbst aus gewesen war, schickte er seinen jüngsten Sohn ins Exil.
Tahir hatte es nie fertig gebracht, seinen Vater zufriedenzustellen oder ihm auch nur zu genügen, egal, wie verbissen er sich anstrengte. Seine gesamte Kindheit über marterte ihn die Frage, womit er den unversöhnlichen Hass seines Erzeugers verdiente. Inzwischen hatte er es längst aufgegeben, sich darüber noch Gedanken zu machen.
Langsam wandte er sich um und betrachtete den opulent ausgestatteten Spielsalon, mitsamt seinen vergnügungssuchenden Nachtschwärmern. Doch er sah nicht die elegante Gesellschaft exquisit gekleideter und gut aufgelegter Kosmopoliten, sondern Yazan AlâRamizâ blutunterlaufene Augen, die geballten Fäuste und Speichelbläschen in dem struppigen Schnurrbart, wenn er sich einem seiner Tobsuchtsanfälle ergab.
Wahrscheinlich sollte er irgendetwas fühlen, doch die Nachricht vom Tod seines Vaters lieà Tahir völlig kalt. Wäre es nicht angebracht, wenigstens einige Fragen zu stellen? Wann war er gestorben? Woran?
âDessen ungeachtet verspüre ich keinerlei Verlangen, je nach Qusay zurückzukehrenâ, informierte er seinen Bruder kühl, und lockte ihn damit unbeabsichtigt aus der Reserve.
âVerdammt, Tahir! Hör wenigstens für einen Moment auf, mir den arroganten, gefühllosen Bastard vorzuspielen! Du wirst hier gebraucht. Es sind Dinge geschehen ⦠ach, verflixt ⦠ich wünsche mir, dass du herkommst.â
Tahir verspürte ein seltsames, unbekanntes Gefühl im Magen. âWie kann ich dir helfen?â, fragte er rau. Kareef war immer sein Lieblingsbruder gewesen. Das einzige Familienmitglied, zu dem er als kleiner Junge aufgeschaut hatte. âWas ist dein Problem?â
âEigentlich ist es kein Problem â¦â Kareefs Stimme klang angespannt. âAber unser Cousin hat auf den Thron verzichtet, als er herausfand, dass er gar nicht Xavier ist, sondern der verschollen geglaubte Scheich Zafir AlâFarisi von Calista. Statt seiner werde ich König von Qusay, und ich möchte dich bei meiner Krönung dabeihaben.â
Langsam und völlig in sich versunken, ging Tahir zurück in Richtung des Roulettetisches. Kareefs Neuigkeiten waren kaum fassbar und nur schwer zu glauben. Ihr Cousin, mit dem sie als Kinder gespielt hatten, war nicht der Sohn des alten Königspaares gewesen, sondern ein fremdes Kind, das sie aus unbewältigter Trauer um Xavian an seine Stelle gesetzt hatten.
Hätte ihm jemand anderer als Kareef diese haarsträubende Geschichte erzählt, er hätte ihn einen Lügner genannt. Aber sein Bruder war absolut aufrichtig und verantwortungsvoll. Er würde einen perfekten König abgeben. Beide älteren Brüder!
Glücklicherweise lebte ihr Vater nicht mehr, sonst hätte er Anspruch auf den Thron gehabt! Eine Herzattacke, wie Kareef ihm unaufgefordert informiert hatte. Kein Wunder, dachte Tahir zynisch, der alte Scheich hatte sein ausschweifendes Leben geliebt und auf kein Laster verzichtet.
Am Tisch wurde er von seinem fast vollen Glas Champagner und zwei Frauen erwartet, deren heiÃe Blicke ihm vermittelten, dass er heute Nacht von ihnen haben konnte, was immer er begehrte. Verächtlich schürzte er die Lippen. War er seinem alten Herrn vielleicht ähnlicher, als er es bisher gedacht hatte?
âTahir!â Elisabeth klatschte aufgeregt in die Hände. âDu wirst es nicht glauben, aber du hast schon wieder gewonnen!â
Das Gemurmel in der Menge um ihn herum erstarb. Jedes Augenpaar war erwartungsvoll auf Tahir gerichtet, als sei er ein Magier oder Zauberer. Vor ihm stapelte sich sein Gewinn. Der bis dato gelassene Croupier wirkte ziemlich blass und erschüttert.
âFür die Angestellten.â Tahir warf ihm einige der höchsten Jetons hin und entzog sich den gierigen Frauenhänden, die ihn zum Sitzen nötigen wollten.
âMerci, Monsieur.â Wie durch
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