Geheimnis einer Wuestennacht
Zauberhand kehrte die Farbe ins fahle Gesicht des Croupiers zurück.
Tahir griff nach seinem Glas, nahm einen groÃen Schluck und lieà das prickelnde Getränk genüsslich durch seine Kehle rinnen. In dieser Sekunde fühlte er sich fast glücklich. Endlich hatte das Schicksal mal etwas richtig gemacht! Kareef würde der beste König, den das Land je gesehen hatte.
Er stellte das Glas auf den Tisch zurück und nickte den beiden Frauen zu, die ihn aus weit aufgerissenen Augen anstarrten. â Bon Nuit ⦠es tut mir leid, euch verlassen zu müssen, aber wichtige Geschäfte â¦â Er zuckte gelangweilt die Schultern und wandte sich ab.
âWarte!â, rief Elisabeth ihm nach. âDu hast deinen Gewinn vergessen!â
Tahir schaute über die Schulter zurück und begegnete gleich mehreren Dutzend Augenpaaren. âTeilt ihn unter euch auf â¦â
Der Türsteher vollführte eine tiefe Verbeugung, als Tahir an ihm vorbei in die nächtliche Schwüle trat. In diesem Moment kam von der Seeseite eine erfrischende Brise auf. Tahir atmete ein paarmal tief durch, um seinen Mund spielte ein leichtes Lächeln.
Er war auf dem Weg zu einer Krönung â¦
Tahir flog tief über die Dünen der endlos scheinenden Wüste hinweg. Mit sich allein in seinem Privat-Helikopter gab er sich dem berauschenden Freiheitsgefühl hin, das ihm diese karge und dennoch so majestätische Landschaft vermittelte.
Sein unruhiges Blut floss kühl und gleichmäÃig durch die Adern. Er spürte weder Müdigkeit, noch Langeweile. Hier gab es keine Speichellecker, die sich an seine geschäftlichen Erfolge anhängen wollten, keine Vamps mit lockenden Blicken und gierigen Händen. Nicht einmal Paparazzi, die darauf aus waren, über seine nächste Affäre zu berichten.
Lag es wirklich nur an der eigentümlichen Schönheit der Wüste, dass sich seine Lebensgeister so unerwartet gehoben hatten? Er fühlte sich frei wie schon lange nicht mehr. Nicht einmal der Gedanke an Qusay belastete ihn in diesem Moment.
Nicht seine Familie. Nicht seine Vergangenheit .
Wüsten hatte er in den letzten Jahren wahrlich genug gesehen. Er kannte sie alle â von Nordafrika bis Australien und Südamerika. Autorennen, Paragliding, Bungee-Jumping. Immer auf der Suche nach dem ultimativen Kick, nach einer neuen Gelegenheit, sein Leben zu riskieren.
Die seltsame Stimmung, in der er sich befand, hielt an. Irgendwann musste Tahir sich eingestehen, es lag an diesem Land, das er gerade überflog und das bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr seine Heimat gewesen war. Der Platz, den er nie wieder hatte aufsuchen wollen.
Dieser verstörende Gedanke traf ihn wie ein gewaltiger Schlag, der auch den Hubschrauber erfasst zu haben schien, sodass er ins Schlingern geriet. Instinktiv riss Tahir den Steuerknüppel zu sich und zog den Helikopter dadurch hoch über die Sanddünen. Was er aus dieser Position sah, lieà seinen Mund schlagartig trocken werden und pumpte Adrenalin gleich flüssiger Lava durch seine Venen.
Die zunehmende Dunkelheit war keine verfrüht hereinbrechende Abenddämmerung, wie er gedacht hatte, sondern ein ausgewachsener Sandsturm. Hätte er die vorgeschriebene Flughöhe eingehalten, wären ihm die Warnzeichen viel früher aufgefallen. Stattdessen hatte er wieder einmal seinem Abenteurergeist freien Lauf gelassen, war viel zu niedrig geflogen, davon überzeugt, trotz der sich ständig verändernden Wüstenlandschaft, nach Sicht navigieren zu können.
Doch was ihm hier entgegenschlug, wuchs sich in rasender Geschwindigkeit zu einem Sandsturm der Sorte aus, die StraÃen untergrub, Flussläufe veränderte, Leben vernichtete und einen Helikopter wie ein Spielzeug herumwirbeln und zu Boden schmettern konnte, wo er in Tausend Stücke zerbrach.
Es war keine Zeit mehr, ihm zu entkommen oder irgendwo sicher zu landen.
Dessen ungeachtet umklammerte Tahir mit aller Kraft das Steuerruder und kämpfte verbissen darum, den Helikopter durch den Sturm voranzutreiben. Automatisch wechselte er in den Gefahrenmodus und setzte ein Notsignal ab, obwohl er wusste, dass es dafür längst zu spät war.
Plötzlich überkam ihn eine kalte Ruhe. Er würde sterben.
Der verlorene Sohn erhielt seine gerechte Strafe â¦
Er war nicht tot.
So leicht machte es ihm das Schicksal dann doch nicht. Offenbar hielt es noch viel
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