Geheimnis um ein gestohlenes Bild
Hintertür war jetzt zugeschlossen. Enttäuscht rüttelte Ern an der Klinke. Nichts zu machen! Wahrscheinlich war Onkel Wusch von einem Geräusch aufgewacht und hatte die Tür zugeschlossen.
Ern wollte nicht klopfen und die ganze Familie aus dem Schlaf wecken. Er beschloß daher, zum Baum zurückzugehen und seinen Verwandten morgen zu sagen, daß er zum Spaß einmal im Baumhaus geschlafen hätte. Sie würden ihn wahrscheinlich für verrückt halten, aber das war ihm gleichgültig.
Allerdings hätte er gern noch eine Decke zum Zudecken gehabt. Nach einigem Überlegen fiel ihm ein, daß Zeitungspapier sehr warm halten soll. Im Schuppen lagen ganze Stapel alter Zeitungen. Er holte sich einen Armvoll und kletterte wieder in den Baum hinauf. Dann breitete er eine dicke Lage von Zeitungen über den Boden der Hütte, wickelte die übrigen um sich herum und kroch unter die sorgsam zurecht gelegten Decken.
Nun hatte er es warm und gemütlich. Er gähnte laut. Als eine Eule an seinem Baum vorbeistrich und einen lauten Schrei ausstieß, fuhr er wieder hoch. War Dicki etwa zurückgekommen? Er spähte durchs Guckloch, sah jedoch niemand, nicht einmal die beiden Polizisten. Der Garten lag friedlich im hellen Mondschein vor ihm. Wieder strich die Eule schreiend an seinem Baum vorbei. Er legte die Daumen an den Mund und ahmte sie nach. Sie schwenkte erschrocken zur Seite und flog davon.
„Daß du mich nicht noch einmal störst!” rief er drohend hinter ihr her. Dann kuschelte er sich in sein Lager, schloß die Augen und schlief ein.
Nach zwei Stunden wachte er von einem Geräusch auf. Anfangs wußte er gar nicht, wo er sich befand. Erst nach einer Weile fiel ihm ein, daß er auf dem Baum war. Was mochte ihn aufgeweckt haben?
Aus der Ferne kam ein gleichmäßiges summendes Geräusch. Ob das ein Flugzeug war – oder ein Auto? Ja, es hörte sich mehr wie ein Auto an.
Ern machte die Augen wieder zu. Doch dann hörte er noch ein anderes Geräusch und richtete sich horchend auf. Es klang wie Wasserplätschern. Ob jemand im Fluß schwamm? Aber nein, jetzt im Januar badete bestimmt kein Mensch mehr, am allerwenigsten in der Nacht. Er spähte zum Fluß hinüber. Dort bewegten sich geisterhaft einige weiße Flecke. Was war das nur? Plötzlich fiel es ihm ein. Er kicherte. Die Schwäne! Und er hatte sich schon alles mögliche eingebildet. Daß die Schwäne aber auch nachts herumschwammen!
Noch einmal ließ Ern seine Augen über den Garten gehen. Von den Polizisten war nichts zu sehen. Auch die Eule hatte sich verzogen. Er legte sich wieder hin, fest entschlossen, sich nicht noch einmal stören zu lassen.
Im Halbschlaf war ihm dann, als hörte er Stimmen im Garten, aber er glaubte zu träumen. Dann bellte ein Hund. War das nicht Pünktchens helles Gebell? Der kleine Hund würde Schläge bekommen, wenn er die Larkins mitten in der Nacht weckte.
Bald schlief Ern wieder so fest, daß er nicht einmal aufwachte, als die Eule sich auf seinen Baum setzte und einen düsteren Schrei ausstieß. Langsam begann es zu dämmern. Schon rötete sich der Horizont. Bald würde es Tag sein.
Endlich erwachte Ern und reckte sich verschlafen. Er mußte ins Haus gehen. Seine Tante würde sich wundern, wo er steckte. Sie war sicherlich schon auf.
Gerade wollte Ern den Baum hinunterklettern, da hörte er lautes Geschrei, wütende Rufe und dröhnende Schläge. Um Himmels willen, was hatte das zu bedeuten? Rasch glitt er vom Baum, lief zur Hecke und horchte. Der Lärm schien von Haus Halali her zu kommen. Was war da los? Ob Dicki zurückgekommen und in eine Falle geraten war?
Kurz entschlossen drängte sich Ern durch die Hecke. Als er an dem Pförtnerhaus vorbeiging, öffnete sich die Tür und Larkin kam heraus – wie immer in seinem alten ausgebeutelten Mantel und mit Schal und Mütze.
„Geh mal sehen, wer da solchen Radau macht”, sagte er zu Ern. „Meine Frau ist krank. Ich kann sie nicht allein lassen.”
Ern nickte und ging weiter. Der Lärm wurde immer lauter. Zwischen den dumpfen Schlägen hörte er Rufe.
„Hilfe! Laßt uns heraus. Hilfe!”
Merkwürdig! Wer war da eingeschlossen, und wo, und warum? Dickis Stimme war es zum Glück nicht.
Ern bog um Haus Halali und erkannte nun, daß die Rufe aus dem Kesselhaus kamen. Ängstlich blieb er stehen. Er wollte niemand herauslassen, bevor er wußte, wer es war.
Schließlich schlich er leise auf das kleine Haus zu, kletterte auf eine Kiste und guckte durch ein Fenster. Vor Überraschung wäre er
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