Geheimnis um eine giftige Feder
sieht er ja nur die Schafe. Er sagte, Schnüffel wäre meistens schon in aller Herrgottsfrühe auf. Er ist ja Zigeuner und wildert wahrscheinlich nachts. Und Fräulein Schnack geht jeden Morgen mit ihrem Hund ins Freie. Außerdem will Tom heute früh Frau Schlimm gesehen und auch ihre Stimme erkannt haben, als sie sich mit Schnüffel unterhielt.”
„Dann muß es Frau Schlimm sein!” rief Rolf. „Sie geht sonst niemals so früh aus dem Haus. Ich hörte neulich, wie Frau Hillmann sich darüber beklagte, daß sie immer so spät aufsteht.”
„Schsch!” warnte Flipp. „Sie kommt die Treppe herauf.”
Tatsächlich, im nächsten Augenblick öffnete Frau Schlimm die Tür des Spielzimmers. „Betti, Flipp, kommt bitte zum Essen. Ich habe schon alles hingestellt.”
„Danke schön, Frau Schlimm”, sagte Flipp. „Ach, denken Sie nur, der alte Schäfer hat Dicki erzählt, er hätte Sie heute morgen um halb sieben mit dem alten Schnüffel zusammen gesehen. Kann das möglich sein?”
Frau Schlimm sah Flipp überrascht an. „Hm, ja”, sagte sie nach einer kurzen Pause. „Ich hätte nicht gedacht, daß man schon in aller Frühe beobachtet wird. Der alte Zigeuner hatte mir erzählt, daß er heute nach Schafhausen fahren wollte. Da ich an diesem Montag nicht meine Mutter besuchen konnte, stand ich früh auf und bat ihn, einen Brief für sie mitzunehmen. Er hat den Bus genommen, der um 10.15 Uhr hier abfährt.”
„Deshalb also!” sagte Flipp in Gedanken.
„Was meinst du damit?” fragte Frau Schlimm mißtrauisch.
„Ach, nichts”, antwortete Flipp hastig.
Frau Schlimm sah die Kinder scharf an. Dicki, der keinen Verdacht in ihr aufkommen lassen wollte, stand auf und sagte ablenkend: „Ich muß fort. Geht jetzt hinunter, sonst wird das Essen kalt. Wir sehen uns dann nachmittags.”
Damit ging er aus dem Zimmer. Gina und Rolf folgten ihm.
Draußen stopfte Dicki seine Perücke und die gestreifte Schürze in den Korb an seinem Rad. „Ein Glück, daß ich die Sachen abgelegt hatte, bevor Frau Schlimm ins Zimmer kam! Sie hätte sich sehr gewundert, einen Schlächterlehrling bei euch zu finden.”
„Glaubst du, daß sie die Briefe geschrieben hat?” fragte Gina.
„Es könnte schon sein”, antwortete Dicki nachdenklich.
„Vielleicht wollte sie Ursel vertreiben, um ihre Nichte zu den Hillmanns holen zu können. Aber da sind ja noch die anderen Briefe.”
„Was machen wir nun?” fragte Rolf.
„Wir werden Frau Schlimm ein bißchen unter die Lupe nehmen. Kommt um halb drei wieder zu Flipp und Betti.”
Nachmittags empfingen die Geschwister ihre Freunde in großer Aufregung. „Denkt nur, Wegda ist hier und verhört Frau Schlimm!” rief Flipp. „Wir haben allerlei von ihrer Unterhaltung mit angehört, weil das Küchenfenster offensteht.”
„Was will Wegda denn von ihr?” fragte Dicki.
„Er hat erfahren, daß sie früher mal in dem Heim gearbeitet hat, in dem Ursel gewesen ist. Anscheinend hat man sie dort rausgeschmissen, weil sich einige Mädchen über ihre Unfreundlichkeit beschwerten. Das hat Wegda wohl mißtrauisch gemacht. Er schreit Frau Schlimm an wie nicht gescheit – und sie schreit zurück.”
Von unten drangen erregte Stimmen herauf. Die Kinder lehnten sich aus dem Fenster und horchten.
„Sie haben kein Recht dazu, hierherzukommen und eine unschuldige Frau zu verdächtigen!” rief Frau Schlimm.
„Ich werde mich über Sie beschweren.”
„Reden Sie keinen Unsinn!” entgegnete Herr Grimm.
„Ich verdächtige Sie ja gar nicht, sondern stelle nur von Amts wegen ein paar Fragen an Sie. Es wird sich schon herausstellen, ob Sie unschuldig sind. Regen Sie sich doch nicht unnötig auf.”
„Es gibt andere, die Sie fragen könnten”, sagte Frau Schlimm geheimnisvoll.
„Ich habe eine ganze Liste von Leuten, die ich befragen muß”, antwortete Herr Grimm. „Und ich hoffe, daß die anderen höflicher sein werden als Sie. Sie machen keinen guten Eindruck auf mich, Frau Schlimm. Das sage ich Ihnen!”
Der Polizist verließ das Haus und fuhr schwerfällig mit seinem Rad davon. Die Kinder sahen, daß sein Genick rot angelaufen war.
„Wegda ist heller, als ich dachte”, sagte Dicki. „Er hat also auch eine Liste verdächtiger Personen aufgestellt. Die möchte ich gern mal sehen.”
„Vielleicht stehst du ebenfalls darauf, weil du gestern in Schafhausen einen Brief eingesteckt hast”, meinte Rolf.
„Auf jeden Fall hat er mich im Verdacht, ,Unfug zu treiben’, wie er sich
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