Geheimnis um eine verschwundene Halskette
früh hier?” fragte der Fremde leise. „Erwartest du jemand?”
Dicki bekam einen Schreck. Offenbar hielt sein Nachbar ihn für den Alten und wunderte sich darüber, ihn am Vormittag hier zu sehen. Was sollte er antworten? Plötzlich fiel ihm ein, daß der alte Mann ja schwerhörig war. Er wandte das Gesicht ab, um sich nicht in die Augen sehen zu lassen, legte die Hand ans Ohr und fragte heiser: „Wassis?”
„Ach, er ist ja taub!” murmelte der Mann ärgerlich. Verstohlen blickte er sich um. Da sah er einen zweiten Radfahrer näherkommen. Sofort rückte er von Dicki ab und steckte sich eine Zigarette an.
Der zweite Radfahrer war Herr Grimm. Er schwitzte heftig. Als er die beiden Männer auf der Bank sitzen sah, stieg er ab und tat so, als müßte er seine Kette in Ordnung bringen. Die Kinder beobachteten ihn gespannt. Hoffentlich sprach er Dicki nicht an!
Sobald Purzel seinen alten Feind entdeckte, rannte er mit freudigem Kläffen hinaus und umtanzte ihn angriffslustig. Rolf lief ihm nach, um zu verhindern, daß er Dicki verriet. Aber Purzel war vollauf damit beschäftigt, nach den Hosen des Polizisten zu schnappen, seinen Fußtritten auszuweichen und unter Bellen und Knurren einen wilden Tanz aufzuführen.
Dicki stand hastig auf und schlurfte um die nächste Ecke, ohne daß der wütende Polizist ihn bemerkte. Die anderen Kinder errieten seine Absicht, sich leise aus dem Staub zu machen. Während sie so taten, als wollten sie Purzel zurückrufen, regten sie ihn nur immer mehr auf. Als Rolf ihn endlich sicher im Arm hielt und Herr Grimm sich nach der Bank umsah, saß niemand mehr darauf. Beide Männer waren verschwunden.
Ärgerlich schnaufend klopfte er sich die Hosen ab.
„Dieser verflixte Köter! Ich werde ihn melden, ja das werde ich! Er hat mich daran gehindert, meine Pflicht zu tun. Wo sind die beiden Kerle geblieben? Ich wollte ein paar Fragen an sie stellen.”
„Sie sind fort”, sagte Gina.
„Hab ich keine Augen im Kopf? Das brauchst du mir nicht zu erzählen. Vielleicht ist mir jetzt ein sehr wichtiges Indiz entgangen. Wo ist der dicke Junge, der immer mit euch zusammen ist? Ich wette, er hat wieder seine Hand im Spiel.”
„Er ist nicht hier”, antwortete Rolf. „Wollen Sie ihn sprechen? Sie werden ihn wahrscheinlich zu Hause treffen.”
„Ich will den Lümmel gar nicht sehen!” Herr Grimm stieg pustend auf sein Rad. „Und euch will ich auch nicht mehr sehen.”
Bevor er fortfuhr, hielt er jedoch noch einmal an und fragte Rolf: „Wo kommt ihr eigentlich her?”
„Wir waren in der Konditorei.”
„Habt ihr den Alten auf der Bank gesehen?”
„Ja. Er schien zu schlafen.”
„Hat der andere Mann mit ihm gesprochen?”
„Kann sein. Ich weiß es nicht.” Rolf begann sich über die Fragen des Polizisten zu wundern.
„Kommt mal mit!” sagte Herr Grimm plötzlich. „Ich werde den Alten verhören. Ihr sollt mich durch eure Aussagen unterstützen.”
Die Kinder erschraken. Der Alte lag wahrscheinlich noch im Bett. Was würde er antworten, wenn Herr Grimm ihn nach dem Fremden fragte, den er überhaupt nicht gesehen hatte? Er würde gar nicht verstehen, was der Polizist von ihm wollte.
Das erste Indiz und ein Plan
„Wir haben eigentlich keine Zeit”, sagte Rolf ausweichend.
Aber Herr Grimm ließ das nicht gelten. „Ich befehle euch mitzukommen”, sagte er gewichtig. „Ihr könnt unter Umständen wichtige Zeugen sein.”
Den Kindern blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Purzel zerrte heftig an seiner Leine und strebte zu den dunkelblauen Hosenbeinen hin. Sie gingen durch einige Straßen und gelangten schließlich in eine enge Gasse. Herr Grimm ging auf ein ärmlich aussehendes Haus zu und klopfte an die Tür. Da niemand antwortete, klopfte er noch lauter. Den Kindern wurde immer unbehaglicher zumute. Auch auf das zweite Klopfen hin rührte sich nichts. Herr Grimm stieß die Tür auf, und sie traten in einen sehr schmutzigen Raum, der als Wohn- und Schlafzimmer benutzt wurde. Ein dumpfer Geruch schlug ihnen entgegen.
In einer Ecke des Zimmers stand ein schmales Bett, auf dem unter einem Haufen schmuddliger Decken und Kissen der alte Mann lag. Er schien fest zu schlafen. Auf einem Stuhl neben dem Bett lagen die Kordhosen, der zerschlissene Mantel, das zerrissene Hemd, ein Wollschal und der Hut. Darunter standen die durchlöcherten Schuhe.
„He!” schrie Herr Grimm nähertretend. „Stell dich nur nicht schlafend! Ich hab dich vor ein paar Minuten auf der
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