Geheimnis um einen Wohnwagen
schlügen manchmal ohne jeden Grund nach einem Menschen, so daß er Zeit seines Lebens eine Narbe behielte. Da fragte ich sie, ob sie vielleicht jemand mit einer Narbe über der Oberlippe kenne.”
„Und was antwortete sie darauf?” fragte Flipp gespannt.
„Sie wurde ganz böse und schrie: ,Mach, daß du fortkommst und laß dich hier nicht wieder sehen!’”
„Aber warum denn?” fragte Gina erstaunt.
„Das möchte ich auch wissen. Meine Frage schien sie zu erschrecken.”
„Weil sie wirklich jemand mit einer Narbe über der Oberlippe kennt!” rief Rolf.
„Ja, das dachte ich auch schon.”
„Und dieser jemand kann nur der entlaufene Sträfling sein”, fuhr Rolf fort. „Auf dem Jahrmarkt ist er aber nicht. Dort haben wir uns alle Leute gründlich angesehen.”
„Wo schläft denn die Besitzerin des Flohzirkus?” fragte Flipp.
„In einem Wohnwagen, der mit vielen andern auf dem Feld der Barkers steht.”
„Ob sie den Mann mit der Narbe dort versteckt hält? Vielleicht ist er ein anderer Bruder von ihr.”
„Nein, sie sagte mir, daß nur sie und Josef von der Familie übrig wären – außer der alten Mutter natürlich. Sonderbar, daß die beiden dem Foto des Verbrechers so ähnlich sehen. Vielleicht weiß Direktor Jenks, ob der Mann mit der Narbe Verwandte hat.”
„Steht denn nichts davon in den Aufzeichnungen, die er dir gegeben hat?” fragte Gina.
Dicki holte die Beschreibung des Gesuchten hervor und las sie noch einmal durch. „Ja, hier steht: Keine Geschwister, keine Kinder, Eltern tot.”
„Dann kann er kein Bruder der Geschwister Fangio sein”, sagte Rolf. „Trotzdem solltest du ihren Wohnwagen einmal untersuchen.”
„Wie soll ich das anfangen? Wenn ich am Tage dort herumspioniere, könnten mich Leute aus den anderen Wagen sehen, und nachts traue ich mich nicht recht hinzugehen.”
Während die Spürnasen noch überlegten, was sie tun sollten, hörten sie Eulalie im Garten rufen: „Dietrich, wo bist du? Komm zum Mittagessen.”
„Ist es schon so spät?” Dicki sah auf seine Uhr. „Ja, tatsächlich. Wir müssen unsere Beratung abbrechen.” Er machte die Tür auf und rief: „Ich komme, Eulalie!” Dann sagte er zu den Kindern: „Wir sind in eine Sackgasse geraten mit unserm Geheimnis. Am Nachmittag gehe ich zu der Käfertagung, Denkt bitte inzwischen darüber nach, was wir weiter unternehmen könnten, und ruft mich an, wenn euch etwas einfällt.”
Die Kinder verabschiedeten sich. Dicki zog sich in rasender Eile um. Fünf Minuten später trat er ins Eßzimmer und setzte sich auf seinen Platz. „Bitte um Entschuldigung, daß ich mich verspätet habe”, murmelte er und griff nach Messer und Gabel. Da bemerkte er zu seinem Schreck, daß er vergessen hatte, seine Fingernägel sauber zu machen. Er krümmte die Finger, damit man die Nägel nicht sehen konnte. Seine Mutter bemerkte es.
„Hast du dir die Hände verletzt, Dietrich?” fragte sie besorgt.
Natürlich sahen nun alle auf Dickis Hände.
„Es ist nichts”, antwortete er verlegen. „Nur ein kleiner Krampf.”
Sofort nahm Eulalie seine rechte Hand und strich über die Finger, um sie zu entkrampfen. Dicki riß seine Hand fort, aber Frau Kronstein hatte die schmutzigen Fingernägel schon gesehen und sagte streng: „Geh in dein Zimmer und reinige deine Fingernägel, Dietrich!”
Von den vorwurfsvollen Blicken der am Tisch Sitzenden verfolgt, floh Dicki aus dem Zimmer. Sein Vater war zum Glück nicht zu Hause.
Als er zurückkam, rief Herr Schelle: „Wir werden noch zu spät zum Kongreß kommen. Hast du auch deine Eintrittskarte, Eulalie? Wir müssen gleich nach dem Essen aufbrechen. Ich denke, der Kongreß wird sehr anregend für dich sein, Dietrich.”
Dicki bezweifelte das. Und den Mann mit der Narbe würde er dort bestimmt nicht finden, viel eher schon in einem Wohnwagen auf dem Feld der Barkers. Zu dumm, daß er zu dieser langweiligen Tagung gehen mußte, und noch dazu mit Eulalie!
Ein interessanter Nachmittag
Herr Schelle und Eulalie gingen so schnell, daß Dicki kaum mitkam. Auch viele andere Leute eilten zum Rathaus. Dicki wunderte sich, daß es so viele Käferliebhaber in Peterswalde gab, und bemerkte überrascht, daß die meisten Männer Bärte trugen.
„Ist es vorgeschrieben, daß Koleopterologen einen Bart haben?” fragte er Eulalie.
„Sei doch nicht albern”, erwiderte sie. „Sieh mal, dort vor uns geht die wunderbare Maria Janizena, die die vierundachtzig tibetanischen Käfer
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