Geheimnis um einen Wohnwagen
das jeden Tag die Einnahmen eingetragen wurden. Dicki sah auf seine Hände. Sie waren sehr knotig. Während er so tat, als prüfe er das Rechnungsbuch, überlegte er, wie er Bert dazu bringen könnte, das Tuch vom Gesicht zu nehmen, damit er sehen konnte, ob da eine Narbe war. Schließlich gab er ihm das Buch zurück und sagte: „Das könnte ich schon in Ordnung halten.”
„Wann willst du anfangen?” fragte Bert.
„Ich sag dir nachher Bescheid. Will erst noch woanders hingehn.”
„In Ordnung. Sag mir aber bitte noch heute, ob ich auf dich rechnen kann.”
„Warum hast du dich denn so vermummt?” fragte Dicki.
„Bist du erkältet?”
„Nein. Der Zahnarzt hat mir einen Zahn gezogen und sagte, ich solle mich warm halten bei dem kalten Wind.”
„Hat das Ziehen weh getan?”
„Ziemlich. Außerdem war es noch ein Vorderzahn. Nur gut, daß ich nicht so vorstehende Zähne habe wie du, sonst würde das Loch sehr auffallen.”
„Zeig mal. Ich wette, man sieht es kaum.”
Bert zog das Tuch fort, öffnete den Mund und zeigte auf eine Zahnlücke. „Hier saß er. Hatte eine Wurzel wie ein Baum.”
Dicki sah nicht in Berts Mund, sondern suchte nach einer gewundenen Narbe über der Oberlippe. Aber da war nicht die leiseste Spur von einer Narbe. „Eine dumme Stelle”, sagte er enttäuscht. „Aber jetzt muß ich gehen. Tschüs bis nachher!”
Dicki ging an den Spürnasen vorbei, die alles beobachtet hatten, und sagte leise: „Hat keine Narbe. Er ist es nicht.”
„Wir wollen jetzt zum Flohzirkus gehen”, sagte Rolf daraufhin laut zu den andern, und dann folgten sie Dicki mit einigem Abstand.
Bald kamen sie zu einem Zelt, auf dem wehte eine Fahne mit der Aufschrift „Fangios berühmte Flöhe”. Dicki spähte hinein, aber in dem Zelt befand sich nur eine alte Frau. Es war dieselbe, die am Tag vorher vor dem Schießzelt gesessen und Karten verkauft hatte. Sie beugte sich über einen Tisch, auf dem große Glasgehäuse standen.
„Guten Tag”, sagte Dicki.
Die Alte fuhr erschrocken herum und zog ihr verrutschtes Kopftuch zurecht.
„Ist der Flohzirkus nicht geöffnet?” fragte Dicki. „Draußen sind ein paar Kinder, die ihn gern sehen wollen.”
„Meine Tochter ist noch nicht hier”, antwortete die Frau mit heiserer Stimme.
„Ihre Tochter führt den Zirkus? Wer ist denn Fangio?”
„Das war mein Mann”, antwortete die Frau. „Seit seinem Tode führt Lucita das Unternehmen. Die Flöhe sind wunderbare Tiere. Du solltest einmal sehen, was für eine Last sie in diesem kleinen Wagen ziehen.”
„Die Flöhe ziehen einen Wagen?” rief Rolf und kam ebenfalls ins Zelt. „Das ist ja kaum zu glauben. Können wir den Wagen mal sehen?”
„Ja, kommt nur herein”, sagte die Alte. Verwundert betrachtete Rolf ihr runzliges Gesicht. Sie schien mindestens hundert Jahre alt zu sein. Unter ihrem Kopftuch guckten ein paar weiße Haarsträhnen hervor.
Die anderen Kinder waren inzwischen auch ins Zelt gekommen. „Sind Sie Frau Fangio?” fragte Gina.
„Ja, das bin ich. Ich helfe meinen Kindern auf dem Jahrmarkt. Mein Sohn arbeitet im Schießzelt.”
Gina und Dicki warfen sich einen Blick zu. Sie hatten den Sohn der Alten ja gestern beim Laden der Gewehre beobachtet.
„Hier ist der kleine Wagen”, sagte Frau Fangio eifrig, „und hier ist ein Kran, mit dem die Flöhe arbeiten. Sie können auch dieses Fäßchen hier rollen.”
„Nein, so was!” rief Gina erstaunt. „Aber wo sind die Flöhe? Ich kann Flöhe zwar nicht leiden, aber diese Wundertiere würde ich doch gern einmal sehen.”
„Wartet, ich zeige sie euch.” Aber ehe Frau Fangio die winzigen Käfige öffnen konnte, in denen die Tierchen eingesperrt waren, rief eine scharfe Stimme vom Zelteingang her: „Was machst du da? Ich habe dir doch verboten, die Flöhe anzurühren!”
Dicki stellt eine verfängliche Frage
Alle drehten sich um. Am Eingang stand eine schwarzhaarige junge Frau mit einem schmalen bösen Mund und stechenden Augen.
Dicki glaubte sie schon einmal irgendwo gesehen zu haben. Oder sie erinnerte ihn an jemand, aber er wußte nicht an wen.
„Geht sofort aus dem Zelt, Kinder”, sagte sie näherkommend. Dann wandte sie sich an Dicki, den sie offenbar für einen Angestellten des Jahrmarkts hielt. „Jag die Kinder fort. Wenn keine Vorstellung ist, darf kein Fremder das Zelt betreten. Die Flöhe sind sehr wertvoll.”
Zu der alten Frau aber sagte sie ärgerlich: „Du hast mir doch versprochen, die Flöhe in Ruhe zu
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