Geheimnis Um Mitternacht
alt und gelte schon seit einiger Zeit nicht mehr als heiratsfähig."
„Sie nehmen an, dass Heirat zu meinen Plänen gehört?", erwiderte er.
Irene fühlte, wie ihr Hitze in die Wangen stieg. „Ich habe Ihnen gerade gesagt, dass ich mir nicht vorstellen kann, warum Sie mich kennenlernen wollen. Denn ich habe festgestellt, dass Männer nur selten Interesse an alten Jungfern haben."
„Vielleicht möchte ich unsere Bekanntschaft nur wieder auffrischen."
„Wie bitte?" Überrascht sah Irene ihn an. Sie hatte selbst schon den Gedanken gehabt, dass er ihr irgendwie bekannt vorkam, und das Gefühl kehrte nun verstärkt zurück. „Was wollen Sie damit sagen?"
„Wir sind uns schon einmal begegnet. Erinnern Sie sich nicht?"
Nun war ihre Neugier endgültig geweckt, und sie betrachtete eingehend sein Gesicht. Dabei fiel ihr kaum auf, dass sie durch eine der offenen Türen auf die Terrasse traten.
„Lassen Sie mich Ihre Erinnerung auffrischen", sagte er und führte sie zu der hüfthohen Steinmauer, die die Terrasse umgab. „Sie haben damals versucht, mich zu erschießen."
Abrupt ließ sie seinen Arm los und drehte sich zu ihm. „Was, in aller Welt, meinen ..."
Plötzlich wusste sie, wovon er sprach. Es war Jahre her - es musste schon beinahe ein Jahrzehnt sein. Sie hatte unten im Haus einen Aufruhr gehört und war hinuntergegangen, um nachzusehen. Sie hatte diesen Mann gefunden, der ihren Vater verprügelte, und sie hatte den Kampf beendet, indem sie einen Schuss aus einer der Duellpistolen ihres Vaters abgegeben hatte.
„Sie waren das!", rief sie.
„Ja. Ich." Ungerührt sah er sie an.
„Ich habe nicht versucht, Sie zu erschießen", erklärte Irene bissig. „Ich habe über Ihren Kopf gefeuert, um Ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Wenn ich versucht hätte, Sie zu erschießen, wären Sie tot."
Sie erwartete, dass er sich nach dieser Bemerkung schnurstracks umdrehen und sie allein lassen würde, aber zu ihrer Überraschimg lachte er kurz auf. Seine Miene veränderte sich, seine Augen leuchteten belustigt auf, und er war plötzlich so attraktiv, dass ihr der Atem stockte. Wärme floss über ihre Wangen, doch diesmal nicht aus Verlegenheit.
„Ich bin froh zu hören, dass Sie mir nichts nachtragen", sagte sie scharf, um ihre seltsame und beunruhigende Reaktion zu überspielen. Sie drehte sich um und ging einige Schritte an der Steinmauer entlang.
Sie war ein wenig überrascht, als er ihr folgte und sagte: „Es ist nur natürlich, wenn ein Kind seinen Vater beschützen will. Ich kann Ihnen kaum einen Vorwurf machen."
„Da Sie meinen Vater offensichtlich kannten, wissen Sie sicherlich, dass er solchen Schutz kaum verdient hatte."
Radbourne zuckte mit den Schultern. „Ich vermute, was wir verdienen, hat nur wenig mit dem Verhältnis zwischen Vater und Kind zu tun."
„Mein Vater hätte Ihnen gesagt, dass ich ein widernatürliches Kind bin."
Er sah sie an. „Sie haben mich daran gehindert, ihm weiteren Schaden zuzufügen, oder nicht?"
„Ja, das habe ich." Sie sah ihn nicht an, sondern drehte den Kopf weg und blickte hinüber in den Garten. Sie hatte kein Interesse daran, weiter über ihren Vater oder ihre Gefühle ihm gegenüber zu sprechen. „Dennoch verstehe ich nicht, warum Sie jemanden treffen wollen, der Sie mit einer Waffe bedroht hat."
„Ich war ohnehin fertig mit Lord Wyngate. Ich hatte meine Position klargemacht." Er hielt inne und wandte seine Aufmerksamkeit ebenfalls dem Garten zu. „Aber Sie schienen mir... interessant."
Erstaunt wandte sich Irene ihm wieder zu. „Ich habe einen Schuss auf Sie abgegeben, und Sie fanden das interessant?"
Erneut umspielte ein Lächeln seine Mundwinkel. „Wie Sie sich erinnern, haben Sie über meinen Kopf geschossen."
Sie runzelte die Stirn. „Ich bin mir nicht sicher, was Sie damit sagen wollen."
„Sie hatten recht mit Ihrer ersten Annahme, Mylady. Es sind Heiratspläne, die mich hierhergeführt haben."
„Ich bitte um Entschuldigung?"
„Meine Familie ist daran interessiert, mich mit einer passenden jungen Dame zu verheiraten. Sie müssen wissen, dass ich ihnen peinlich bin. Meine Lebensumstände gaben offensichtlich Anlass zu einem Skandal, der auch sie in schlechtem Licht zu-rücklässt. Und ein Earl, der nicht reiten kann und dessen Vokale nicht rund und vornehm genug klingen, ist eine Schande. Was meine Geschäftsinteressen angeht ... nun, die dürfen nicht einmal erwähnt werden."
Auch wenn er sich um einen leichten Tonfall bemühte, waren
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