Geheimnis Um Mitternacht
ich einem langjährigen Freund meiner Familie einen Gefallen tun möchte. Ich wurde gebeten, Sie jemandem vorzustellen, der Ihre Bekanntschaft zu machen wünscht."
„Wie bitte?" Nun war es an Irene, überrascht zu sein. „Aber wer...? Warum ...?"
„Vermutlich deshalb, weil er Sie bewundert", antwortete Francesca und lächelte auf die für sie typische katzenhafte Art, ein wenig geheimnisvoll und doch verführerisch.
Ihre Worte überraschten Irene so sehr, dass sie für einen Moment nichts sagen konnte. Doch dann fing sie sich wieder ein wenig. „Wirklich, Lady Haughston, ich bin kein naives Dummchen, das gerade erst vom Land in die Stadt gekommen ist. Erwarten Sie tatsächlich, dass ich Ihnen das glaube?"
„Ich sehe keinen Grund, warum Sie es nicht tun sollten", antwortete Francesca mit weit aufgerissenen Augen. „Ich kenne natürlich seine Gründe nicht. Ich fand es nicht angemessen, ihn über seine Motive auszufragen. Aber ich denke, dass das der übliche Grund ist, warum ein Gentleman eine bestimmte Lady kennenlernen möchte. Ganz sicher schätzen Sie sich nicht so gering ein, zu glauben, kein Mann könnte Sie seiner Aufmerksamkeit für würdig erachten."
Nachdenklich sah Irene Francesca an. Lady Haughston hatte sie sehr geschickt in die Enge getrieben. Schließlich sagte sie: „Es ist keine falsche Bescheidenheit. Vielmehr habe ich festgestellt, dass ich einen gewissen Ruf im Ton habe, der die Gentlemen abschreckt, meine Bekanntschaft zu suchen."
Francescas Augen funkelten amüsiert, und ihr Lächeln wurde breiter. „Einen gewissen Ruf, Lady Irene? Ich weiß nicht, was Sie damit sagen wollen."
„Ich dachte, Sie wären der Meinung, die Wahrheit wäre die beste Vorgehensweise", konterte Irene. „Wir wissen beide, dass ich als eine Art Xanthippe angesehen werde."
Francesca zuckte die Schultern. „Aha. Allerdings sind Sie nicht gerade erst vom Land gekommen, dieser Gentleman hingegen schon."
„Wie bitte?" Überrascht wollte Irene weitersprechen, aber Francescas Aufmerksamkeit war auf etwas hinter Irene gerichtet, und sie lächelte. Also schluckte Irene den Rest ihrer Worte hinunter und drehte sich um, um zu sehen, was Francescas Interesse erregt hatte.
Es war ein Mann. Groß und breitschultrig kam er mit langen Schritten bewusst auf sie zu, und Irene hatte den Eindruck, dass die Männer um ihn herum im Vergleich viel kleiner erschienen. Nicht, dass er so viel größer als die anderen gewesen wäre, aber es umgab ihn eine gewisse Aura von Härte und Stärke, die ihn von den anderen abhob.
Sein Haar war rabenschwarz, voll und ein wenig zu lang, was ihm trotz seiner gut geschnittenen Kleidung aus feinem Stoff ein leicht rüpelhaftes Aussehen verlieh. Sein Gesicht bestand nur aus harten Kanten und Linien, mit hohen, scharfen Wangenknochen und einem festen Kinn. Die geraden Striche seiner Augenbrauen waren so dunkel wie sein Haar, und die Augen darunter von einem intensiven Grün.
Sie kannte ihn nicht, und doch war da eine Art Vertrautheit, die sie nicht einordnen konnte. Ein seltsames Gefühl hatte sie erfasst, ein nervöses Flattern im Bauch, das sowohl Aufregung als auch Beklommenheit war, vermischt mit einem anderen, unbekannten Gefühl, das sich in ihrem Unterleib wand, heiß und verstörend.
Wer war dieser Mann?
„Ah, Lord Radbourne", sagte Francesca und hielt ihm zur Begrüßung ihre Hand entgegen.
„Lady Haughston." Flüchtig beugte er sich über ihre Hand, ehe sein Blick an Francesca vorbei zu Irene glitt.
Sein Blick war nicht lüstern oder dreist, sondern nur aufmerksam, aber in seinen Augen lag eine Eindringlichkeit, die beunruhigend war. Er war anders, faszinierend. Ihr wurde bewusst, dass sie gerne mehr über ihn erfahren würde, dass sie mit ihm reden wollte, und die Tatsache, dass sie so fühlte, überraschte und verärgerte sie.
„Bitte erlauben Sie mir, Ihnen Lady Irene Wyngate vorzustellen", fuhr Francesca fort und wandte sich von ihm ab und Irene zu. „Lady Irene, ich würde Sie gerne Gideon, dem Earl of Radbourne, vorstellen. Er ist Lady Pencullys Großneffe."
Endlich wusste Irene, wer da vor ihr stand. Es war der lange vermisste Erbe des Vermögens und Namens der Familie Bankes, über den in den letzten Monaten so viel Klatsch verbreitet worden war. Auch wenn sie niemanden kannte, der von sich behaupten konnte, den Mann tatsächlich getroffen zu haben, hatte sie doch sehr viel über ihn gehört. Ihr war erzählt worden, dass er ein Krimineller sei, im Gefängnis
Weitere Kostenlose Bücher