Geheimnis Um Mitternacht
Pencully sah sie scharf an. „Glauben Sie, ich merke nicht, wenn Sie sich über mich lustig machen, Mädchen?
Ich bin mir wohl bewusst, dass ein Mann Anweisungen lieber von einem freundlichen Mädchen annimmt als von einer alten Dame, die die Wahrheit nicht hinter charmanten Phrasen verbirgt." Sie beendete das Thema mit einem abrupten Nicken. „Wann kann ich Sie in Radbourne Park erwarten?"
Wie immer ärgerte sich Francesca über Lady Odelias Befehlston, aber sie musste zugeben, dass der Vorschlag Sinn machte. Und ein mehrwöchiger Besuch in Radbourne Park würde auch das Problem lösen, wie sie ihren Haushalt weiter finanzieren sollte.
„Ich bin mir nicht sicher. In ein paar Tagen, denke ich. Ich muss packen und einige Dinge ordnen", sagte Francesca.
„Nun, trödeln Sie nicht, Mädchen. Wir müssen diese Sache in Gang bringen."
„Natürlich, aber ..." Francesca hielt inne, als sie Lord Radbourne näher kommen sah. „Ah, Lord Radbourne. Wie schön, Sie wiederzusehen."
Das war natürlich eine Lüge. Sie freute sich nicht darauf, mit ihm zu sprechen. Er sah deutlich verärgert aus, und Francesca vermutete, dass er ihr wegen dem, was mit Irene Wyngate passiert war, eine Standpauke halten würde.
Er nickte Francesca und dann seiner Großtante kurz zu. „Lady Haughston. Lady Pencully."
„Gideon", antwortete Lady Odelia. „Ich habe dich vor einigen Minuten mit Lady Irene sprechen sehen."
Hoffnungsvoll sah sie ihn an.
Sein Mund wurde schmal. „Lady Irene Wyngate ist arrogant, starrsinnig und ein unverbesserlicher Snob. Ich bin mir sicher, dass sie keine geeignete Ehefrau für mich wäre."
Selbst Lady Odelia schien damit überfordert, hierauf eine Antwort zu finden.
Francesca durchbrach schließlich die peinliche Stille. „Ich verstehe. Nun, umso mehr Grund, andere Pläne zu machen. Ihre Großtante und ich haben gerade darüber gesprochen, eine Gesellschaft in Radbourne Park abzuhalten.
Ich hoffe, Sie sind damit einverstanden. Es scheint eine gute Möglichkeit für Sie zu sein, mehrere junge Frauen näher kennenzulernen - und umgekehrt. Eine Woche oder zwei geben einem viel mehr Gelegenheit als der Besuch von Bällen und Ähnlichem hier in der Stadt."
Er nickte. „Ohne Zweifel. Ich überlasse das alles Ihren fähigen Händen. Und denen meiner Tante natürlich."
„Sehr gut." Francesca entspannte sich. Offenbar würde er keinen Widerstand leisten, und er hatte wohl auch nicht vor, sie für das, was Irene zu ihm gesagt hatte, verantwortlich zu machen.
„Ich werde mich dann von Ihnen verabschieden. Ich muss mich um meine Geschäfte kümmern. Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden?"
„Natürlich." Auch wenn Francesca nichts dagegen hatte, dass er ging, fragte sie sich doch, welche Art Geschäfte es waren, um die er sich zu dieser nächtlichen Stunde noch kümmern musste.
Lady Odelia wurde ein wenig blass und warf einen schnellen Blick in die Runde, um zu sehen, ob jemand die Bemerkung des Earls über seine Geschäfte gehört hatte. Er verbeugte sich vor ihnen und wandte sich ab, um zu gehen.
Nach nur wenigen Schritten blieb er allerdings stehen, drehte sich abrupt um und kam zu ihnen zurück. „Lady Haughston", sagte er grimmig. „Wenn Sie die Gästeliste zusammenstellen ..." Er zögerte und fuhr dann kurz angebunden fort: „Setzen Sie auch Lady Irene darauf."
m nächsten Morgen sah Irene ihre Schwägerin über den Frühstückstisch hinweg verstohlen an. Maura war ungewöhnlich blass und ihre Augenlider schwer und dunkel. Wäre es jemand anderes gewesen, hätte Irene sich gefragt, ob sie auf dem Ball der Spences am letzten Abend zu viel getrunken hatte. Vielleicht, dachte sie, fühlt Maura sich krank. Sie war erstaunlich still und hatte nur lustlos in ihrem Essen gestochert.
Irene blickte auf ihren eigenen Teller. Auch sie hatte nicht viel gegessen. Aber sie kannte den Grund dafür. Ihr missglück-ter Spaziergang mit Lord Radbourne hatte sie sehr verärgert. Sie hatte das Fest sofort verlassen wollen, aber Maura hatte sich geweigert, das auch nur in Erwägung zu ziehen. Irene war schließlich aus dem Ballsaal geschlüpft und hatte eine ruhige Nische in der Galerie gefunden, wo sie den Rest des Abends verbrachte.
Auch wenn sie nicht gestört worden war, war es doch kaum eine angenehme Stunde gewesen, denn in Gedanken hatte Irene wieder und wieder Lord Radbournes unhöfliches Verhalten und ihren eigenen entsetzlichen Mangel an Vernunft durchgespielt. Selbst als sie den Ball endlich
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