Geheimnis Um Mitternacht
und spielte sich unaufdringlich durch ihr Repertoire an Musik, auch wenn sie von Zeit zu Zeit ihre Augen in Irenes Richtung verdrehte. Teresa saß in einem Stuhl ein Stück von Irene entfernt, damit beschäftigt, ihr wütende Blicke zuzuwerfen. Und Lady Claire saß neben Irene auf dem schmalen Sofa und machte sich auf ihre stille Art Sorgen, weil Irene Lady Teresa so deutlich in die Schranken verwiesen hatte.
Die Männer schlossen sich ihnen nach ihren Zigarren und dem Port nicht an. Irene konnte ihnen kaum einen Vorwurf machen. Ohne Zweifel hatten sie solch unerträgliche Abende schon zuvor erlebt.
Als genug Zeit vergangen war, um das Gebot der Höflichkeit nicht zu verletzen, schob Irene Müdigkeit wegen der Reise vor, um sich frühzeitig zurückzuziehen. Sie bemerkte, dass Francesca ihr sehr schnell zustimmte, bereit fürs Bett zu sein. Lady Odelia schickte sie mit einigen sarkastischen Bemerkungen über die mangelnde Widerstandsfähigkeit moderner junger Frauen auf den Weg, und Irene und Francesca verloren keine Zeit, der langweiligen Gesellschaft zu entkommen.
Sie verbrachten eine deutlich unterhaltsamere Stunde plaudernd in Francescas Zimmer, aber als sie hörten, dass die Gruppe unten den Abend beendete, schlüpfte Irene durch den Flur in ihr eigenes Zimmer. Sie ging ans Fenster und schaute hinaus in den dunklen Garten. Es war schwer, überhaupt etwas zu erkennen, denn der Mond war nur eine schmale Sichel am Himmel, die kaum mehr als die Umrisse von Bäumen und Gebüsch erhellte. Aber Irene dachte ohnehin mehr über den zurückliegenden Abend als über die Aussicht nach.
Dann bemerkte sie ein Licht am Rande ihres Sichtfelds und beugte sich neugierig vor. Das Licht kam offensichtlich von einer Laterne, die sich mit den Schritten eines Mannes auf und ab bewegte. Sie legte ihre Hände um die Augen, um das helle Licht aus ihrem Zimmer abzuschirmen, und spähte angestrengt hinaus. Wer ging zu dieser Nachtzeit durch den Garten?
Als der Mann sich zum öffnen einer Pforte vorbeugte und dabei die Laterne hob, um besser sehen zu können, fiel das Licht auf sein Gesicht. Es war Gideon.
Irene sah zu, wie Lord Radbourne durch den Garten ging, bis sie ihn zwischen einigen Bäumen aus den Augen verlor. Etwas später erschien das wippende Licht wieder auf der anderen Seite des Hains. Kurz darauf war es verschwunden.
Warum, fragte sie sich, geht Lord Radbourne zu so später Stunde über das Anwesen? Er hatte nicht den Eindruck vermittelt, als sei er zu einem zwanglosen Spaziergang unterwegs oder wollte eine späte Zigarre rauchen, bevor er sich zur Ruhe begab. Sein Schritt war entschieden gewesen, und er hatte eine Laterne mitgenommen, die ihm den Weg leuchtete. Zudem war er auch nicht im Garten geblieben. Als sie das Licht das letzte Mal gesehen hatte, war es ein ganzes Stück entfernt gewesen.
Sie überlegte, dass er vielleicht zur Taverne im Dorf ging. Ein naheliegendes Ziel für einen Mann, vor allem nach einem anstrengenden Abend mit seinen Verwandten. Und wenn es auch für viele Gentlemen ein zu gewöhnlicher Ort zum Entspannen sein mochte, konnte er sehr gut für jemanden geeignet sein, der sich in seiner Rolle als Gentleman unwohl fühlte.
Doch das Dorf und die Taverne lagen in der entgegengesetzten Richtung zu der, die Gideon eingeschlagen hatte, und vor allem schien es zu Fuß ziemlich weit zu sein. Ganz sicher hätte er ein Pferd genommen. Aber er war auch nicht auf dem Weg zu den Ställen gewesen.
Was hatte er vor, und wohin ging er? Was lag in dieser Richtung außer Feldern und Wäldern und einem gelegentlichen Cottage? Sie konnte sich keinen Grund vorstellen, jemanden zu dieser Nachtzeit treffen zu wollen.
Es schien ziemlich spät für jede Art Aktivität... außer natürlich, wenn er mit einer Frau verabredet war. Konnte es sein, dass er auf dem Weg zu einem Rendezvous war?
Unsinn, schimpfte sie sich selbst. Ohne Zweifel gab es eine Anzahl vernünftiger Gründe, warum ein Mann allein kurz vor Mitternacht übers Land ging. Die Tatsache, dass ihr jetzt keiner einfiel, bedeutete nicht, dass es keinen gab.
Und selbst wenn er zu einem Stelldichein unterwegs war, war ihr das einerlei. Irene wusste nicht, warum sie überhaupt ihre Zeit damit verschwendete, darüber nachzudenken. Und es konnte auch nur ein Zufall sein, dass ihr Verdacht ihr einen schmerzhaften kleinen Stich versetzte.
m nächsten Tag begannen Francesca und Irene mit ihrer Kampagne, Gideons Heiratsaussichten zu verbessern. Wie Lady Odelia
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