Geheimnis von St. Andrews
aufzuziehen. Die Scharniere quietschten leise, während Cherry trotz der Kälte, die in der Gruft herrschte, vor Anstrengung Schweißperlen auf der Stirn standen.
In dem Raum, der sich hinter der Tür verbarg, herrschte ein fauliger Gestank. Vermutlich gab es kein Fenster, sodass die einzige Luftzufuhr durch die Ritzen zwischen den festen Bohlen der schweren Tür kam. Cherry leuchtete in die Kammer. Sie erschrak, denn auf einigen zerfetzten Lumpen lagen menschliche Überreste. Abermals erblickte sie ein Skelett. Da sie schon die Knochen von Loretta Dunnington gesehen hatte, war der Schock diesmal nicht ganz so groß. Jedenfalls waren die Überreste so verwittert, dass der Tote schon vor mehreren Hundert Jahren gestorben sein musste. Gestorben? „Ermordet“ war wohl das passendere Wort. Als Cherry ihre Lampe auf den Totenschädel richtete, sah sie ganz deutlich den gespaltenen Stirnknochen. Vermutlich war er damals erschlagen worden.
Ob es die sterblichen Überreste von Sir Geoffrey waren, der hier ein gewaltsames Ende gefunden hatte?
Cherry war so auf die Skelettteile konzentriert, dass sie alles um sich herum vergaß.
Doch plötzlich wurde sie von hinten an der Kehle gepackt!
9. KAPITEL
Cherry erstarrte. Im ersten Moment glaubte sie, dass es übersinnliche körperlose Mächte waren, die es auf sie abgesehen hatten. Es hätte zu der unheimlichen und bedrohlichen Atmosphäre der geheimnisvollen Welt gepasst, die sich hinter der Krypta verbarg. Doch sie spürte die Wärme der harten Finger an ihrem Hals, und das penetrante Rasierwasser ihres Angreifers stieg ihr in die Nase.
Cherry spürte, wie Panik in ihr hochstieg. Dieses Gefühl steigerte sich zur Todesangst, als ihr Widersacher immer fester zudrückte.
Unmittelbar hinter ihrem linken Ohr erklang die flüsternde raue Stimme von Lonnegan – oder wie hieß dieser Kerl noch in Wirklichkeit? Jake Porter, jedenfalls hatte das der Inspektor gesagt.
„Jetzt habe ich dich, du hinterlistiges kleines Biest. Ich wusste doch, dass ich ein Geräusch gehört hatte. Blackburn, dieser alte Trottel, sitzt ja auf seinen Ohren. Aber mich legt man nicht so schnell rein. Wie würde es dir gefallen, diesem Knochenmann da Gesellschaft zu leisten?“
Lonnegan kam sich offenbar richtig toll vor, weil er Cherry überrumpelt hatte. Aber er machte aus ihrer Sicht gleich zwei Fehler. Erstens protzte er mit seinem Erfolg, anstatt sie schnell und lautlos zu töten. Und zweitens dachte er offenbar nicht im Traum daran, dass sie sich wehren könnte.
Aber genau das tat Cherry nun. Sie konnte Lonnegan gewiss nicht besiegen – aber es reichte völlig aus, sich erst einmal von ihm loszureißen und wegzulaufen. Ihr Karateausbilder hatte ihr eingeschärft, im Ernstfall stets die Ruhe zu bewahren und nach einer Fluchtmöglichkeit zu suchen. Und genau das schaffte sie jetzt irgendwie. Noch nie zuvor war Cherry so unmittelbar in Lebensgefahr gewesen.
Ihr Gegenangriff kam hart und für Lonnegan unerwartet. Sie spannte ihre Muskeln an und stieß mit ihrem Hinterkopf gegen sein Kinn. Gleichzeitig holte sie mit dem linken Fuß aus und trat ihrem Widersacher mit ganzer Kraft vor das Schienenbein.
Damit hatte Lonnegan nicht gerechnet. Er fluchte, wobei sich sein Griff, mit dem er Cherrys Hals umklammerte, lockerte. Blitzschnell machte sie einen Schritt seitwärts, dann war sie frei. Instinktiv schaltete sie ihre Lampe aus. Zwar war es kein Vergnügen, in der Finsternis zu laufen. Doch wenn sie die Leuchte nicht ausknipste, konnte Lonnegan sie ganz einfach verfolgen. Er musste sich nur nach dem Licht richten.
„Blackburn! Das kleine Biest haut ab! Du musst ihr den Weg versperren!“
Lonnegans wütende Stimme hallte durch die Gänge und warf ein schauriges Echo zurück. Cherry hätte am liebsten gerufen, dass sie schon die Polizei verständigt hatte. Doch sie hielt lieber ihren Mund. Diesen Trumpf konnte sie später noch ausspielen, wenn es sein musste. Jetzt kam es ihr darauf an, nicht von den beiden Verbrechern eingefangen zu werden.
Weit vor sich sah sie eine Lampe, die sich leicht hin und her bewegte. Cherry biss sich auf die Unterlippe. Dort musste sich Blackburn befinden. Lonnegan verfolgte sie bereits. Das Geräusch seiner Schritte hinter ihr war deutlich zu hören. Ihre Chancen waren momentan ziemlich schlecht. Sie lief mit ausgestreckten Armen, um die Wände links und rechts von ihr fühlen zu können.
Da griff sie auf der rechten Seite plötzlich ins Leere. Dort musste es eine
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