Geheimnis von St. Andrews
Abzweigung geben. Cherry hielt ihre Taschenlampe immer noch in der Hand. Doch einschalten wollte sie das Teil nur, wenn es absolut notwendig war. Momentan war die Dunkelheit ihr bester Schutz.
Cherry bog in den Seitengang ab. Natürlich bekamen das auch Blackburn und Lonnegan mit, denn die beiden Verbrecher liefen ja nun aufeinander zu.
„Das Biest sitzt in der Falle! Dort vorn geht es nicht weiter!“
Dieser Triumphschrei kam von Lonnegan, aber Cherry setzte ihre Flucht trotzdem fort. Vielleicht wollte er sie ja nur entmutigen, und sie befand sich in Wirklichkeit ganz nahe an einem Ausgang. Nun riskierte sie es, ihre Lampe einzuschalten. Der Tunnel, durch den sie eilte, endete an einer verriegelten Holztür mit eisernen Beschlägen. Cherry riss den Riegel zurück und zog die Tür auf.
Dahinter befand sich nicht die Freiheit, sondern eine weitere fensterlose Kammer. Lonnegan hatte nicht gelogen. Und trotzdem war Cherry unglaublich erleichtert. In dem Gemäuer lag nämlich ein Mensch auf dem Boden.
Es war Mark.
Als sie den Lichtkegel ihrer Lampe auf ihn richtete, konnte sie sehen, dass sein Gesicht totenbleich war. Außerdem blutete er aus einer Wunde am Kopf, aber er lebte.
„Was wollt ihr denn schon wieder, ihr Dreckskerle?“, stieß er mit schmerzverzerrter Stimme hervor. Natürlich konnte er in der Finsternis nicht sehen, wer sein Gefängnis geöffnet hatte.
„Mark, ich bin es! Und ich hole dich hier raus!“, rief Cherry, bevor sie neben ihm auf die Knie fiel und ihn in die Arme nahm. Für einen Moment genossen es beide, den Körper des anderen so nahe spüren zu können. Doch das Glück dauerte nur kurz.
„Wie romantisch!“, höhnte Lonnegan. „Romeo und Julia im Kerker. Mir kommen gleich die Tränen. Nein, ich heule lieber erst, wenn ich an eurem gemeinsamen Grab stehe.“
Der Muskelmann nahm beinahe die ganze Breite des Türrahmens ein. Doch plötzlich war hinter ihm Blackburns Stimme zu hören.
„Wir können Cherry Wynn und Mark Gilmore nicht einfach töten. Ich will das nicht, und wir kommen damit auch niemals durch“, schrie er.
„Was du willst, interessiert hier keinen, Blackburn“, knurrte Lonnegan. „Wir lassen die Leichen einfach verschwinden. Sie können gleich hier unten verrotten, wo die Ratten sie bis auf die Knochen abnagen. Ich hätte auch diese Amber Page hierhergeschafft, wenn wir schon gewusst hätten, wie man in den Geheimgang vordringt.“
„Ich habe die Polizei verständigt!“, rief Cherry. „Sie muss jeden Augenblick hier sein!“
„Blödsinn! Wie sollen die Bullen uns hier unten finden? Du gehst mir auf die Nerven, deshalb stirbst du als Erste.“
Im Lichtschein der Taschenlampe sah Cherry, dass Lonnegan ein Messer zog und sich auf sie stürzen wollte. Doch plötzlich klammerte sich Blackburn an seinen Arm. Offenbar war der Restaurator nicht so abgebrüht wie sein Komplize, den er an seinem Vorhaben hindern wollte. Doch Lonnegan schüttelte Blackburn wie ein lästiges Insekt ab. Der Restaurator wurde gegen die Wand geschleudert und blieb stöhnend liegen.
Mark versuchte, vom Boden aufzustehen, aber er war so schwach, dass er gleich wieder in sich zusammensackte. Cherry war ganz auf sich allein gestellt, um sich ihrer Haut zu wehren.
Sie nahm ihre Karatekampfposition ein. Inzwischen hatte Lonnegan am eigenen Leib erfahren, dass sie Selbstverteidigungstechniken beherrschte. Er gab sich keine Blöße und wich ihrem Angriff geschickt aus. Bevor ihre Handkante ihn treffen konnte, hatte er ihren Arm gepackt. Cherry sah das Messer blitzen.
Das ist das Ende!
Doch bevor Lonnegan zustechen konnte, wurde er plötzlich von zwei Polizisten gepackt. Die Beamten hatten sich unauffällig von hinten genähert, sodass sie von niemandem bemerkt worden waren. Blitzschnell packten sie Lonnegan an den Armen, drehten sie auf den Rücken und brachten ihn zu Boden. Im Nu war der fluchende Muskelmann entwaffnet. Handschellen schlossen sich klickend um seine Gelenke.
Auch Blackburn wurde festgenommen. Nun war die Gefahr für Cherry und Mark wirklich vorbei.
Der herbeigerufene Notarzt stellte bei Mark eine Gehirnerschütterung fest und ließ ihn mit einer Ambulanz in das Krankenhaus von Ipswich schaffen. Am liebsten wäre Cherry mitgefahren, aber der Mediziner schüttelte den Kopf.
„Wir müssen Ihren Freund erst eingehend untersuchen, um einen Schädelbasisbruch ausschließen zu können. Sie können ihn frühestens morgen Vormittag besuchen“, meinte er.
„Das ist schon
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