GEHEIMNISSE DER NACHT
werden. Durch die wenigen Handgriffe der letzten fünf Minuten war sie vollkommen außer Atem. Es wurde schlimmer. Mit jeder Stunde wurde es schlimmer.
Sie wartete, bis ihr Atem sich beruhigte und ihr Pulsschlag langsamer geworden war. Dann endlich öffnete sie die Schlafzimmertür, nur einen Spalt, und spähte hinaus auf den Flur. Er war leer. Sie schlich so leise wie möglich hinaus und schloss die Tür langsam hinter sich. Dann, Schritt für vorsichtig gesetzten Schritt, bewegte sie sich auf die Treppe und begann, hinabzusteigen. Eine Hand umklammerte das Geländer, falls sie stolperte. So viele Stufen. Gott. Wo zum Teufel war er? Wo war David?
Sie horchte, konnte ihn aber nicht hören. Spähte, erblickte ihn aber nirgends.
Endlich kam sie am Fuß der Treppe an, und genau in diesem Moment hörte sie über sich Schritte. Ihr Kopf fuhr hoch, und sie sah David, der den langen Flur entlang auf die Treppe zuging. Sie beeilte sich, die letzten Stufen zu nehmen, duckte sich um die Treppe herum und ging schnell aus dem Wohnzimmer auf ihr Arbeitszimmer zu.
Rasch nahm sie den Schlüssel aus der Tasche ihres Mantels und ließ sich ein, dann schloss sie die Türen gleich wieder ab. Sie musste innehalten und lehnte sich an die Tür, um durchzuatmen.
Es dauerte eine Weile, bis ihr Herzschlag sich beruhigte. Bis ihr Atem langsamer und fast wieder normal ging. Als es so weit war, öffnete sie ihren Safe und nahm drei von Dantes Tagebüchern und die CD heraus, auf der sich die einzige Kopie ihres neuen Drehbuchs befand. Das, an dem sie seit Monaten arbeitete.
Sie schloss die Augen und atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Sie tat das Richtige. Sie hatte die Geschichte von der Liebe einer Frau und einem Betrug, der ihn und einen guten Freund fast das Leben gekostet hatte, in Dantes eigenen Worten gelesen. Sie musste ihm beweisen, dass sie nicht das Gleiche tun würde. Diese Geste … sie würde es ihm zeigen.
Morgan verschloss den Safe wieder und lauschte dann an den Türen. Als sie nichts hörte, schlüpfte sie hinaus, schloss sie leise hinter sich ab und ging ins Esszimmer und dann in die Küche. An der Hintertür wartete die Alarmanlage auf sie. Das rote Licht blinkte. David hatte das verdammte Ding aktiviert!
Fieberhaft versuchte sie, sich an den Code zu erinnern, aber in ihrem Kopf wirbelten zu viele andere Dinge herum. David kam gerade durch das Haus. Kam hierher! Verdammt, wann hatte sie ihm die Alarmcodes verraten? Mist, wie schwer konnte es schon sein, sie zu erraten, auch wenn sie es ihm nie gesagt hatte? Es war schließlich ihr Geburtstag.
Richtig. Ihr Geburtstag.
Sie gab schnell die Zahlen ein. Das grüne Licht leuchtete auf. David kam gerade durchs Esszimmer, auf die Küche zu. Seine Schritte klangen näher und näher. Sie riss die Küchentür auf, stürzte hindurch, die Bücher mit einem Arm gegen die Brust gedrückt. Dann zog sie die Tür schnell, aber so leise wie möglich hinter sich zu. Sie rannte auf die große Weide zu und zählte dabei in Gedanken. Der Alarm würde sich in dreißig Sekunden selbstständig wieder aktivieren. Morgan hoffte bei Gott, dass David das grüne Licht nicht auffiel, ehe es wieder auf Rot umschaltete. Sie erreichte den Baum, duckte sich dahinter und zählte weiter. Als sie dreißig erreicht hatte, wartete sie und starrte auf die Tür. Sicher würde sie jeden Augenblick aufspringen und David herauskommen, um zu sehen, was los war. Aber nichts dergleichen geschah.
Er hatte es nicht einmal bemerkt.
Mit einem erleichterten Seufzen wendete sie sich vom Haus ab und ging hinab auf die Küste zu, an die Stelle, wo sie Dante zum letzten Mal gesehen hatte. Dort setzte sie sich hin, zitterte und zog ihren Schal fester um sich. Wartete. Wartete auf ihn. Was, wenn er nicht kam?
Die Szene der vorigen Nacht spielte sich immer wieder in ihren Gedanken ab. Wie er vor Schmerz zusammengezuckt war, das Blut, das neben dem Pflock aus seinem Arm quoll, und dann sein Fall. Wie eine Strohpuppe.
Wie konnte er das überlebt haben?
Aber er war nicht menschlich. Er lebte nicht wirklich. Sie biss sich auf die Lippe und blickte über den Klippenrand. Und dort erblickte sie, was sie vorher, in der Dunkelheit, nicht gesehen hatte. Einen Vorsprung. Er musste auf dem Vorsprung gelandet sein.
Sie sah sich stirnrunzelnd um, wählte eine Stelle und kletterte über den Rand auf den breiten Felsvorsprung hinab, der wie ein natürlicher Balkon aufs Meer hinausragte. Es war nicht leicht, die Tagebücher
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