GEHEIMNISSE DER NACHT
Gott, wie sehr wünschte sie sich, er spräche die Wahrheit.
Aber Lou schüttelte kaum merklich den Kopf. Ehe er allerdings sprechen konnte, kam Lydia in den Raum gerannt, außer Atem und die Augen weit aufgerissen. „Sie ist weg!“, rief sie, „Morgan ist weg!“
Keith
22. KAPITEL
In Dantes Körper tobte die Lust, nicht aber die Lebenskraft. Es war ein merkwürdiges Gefühl. Er war befriedigt, aber doch immer noch erschöpft und schwach. Vielleicht hatte er seinen Höhepunkt nur geträumt, sein Besitzen …
Er hob seinen Kopf und blinzelte, bis er wieder klar sehen konnte. Und runzelte die Stirn, noch desorientierter als vorher. Er lag auf dem Boden. Den Rücken gegen die kalte Steinwand gestützt. Und die Laterne brannte. Er erinnerte sich nicht daran, sie angesteckt zu haben. Er erinnerte sich nicht ans Aufwachen.
Er trug kein Hemd. Seine Jeans waren offen und heruntergezogen. Er schmeckte Blut auf seinen Lippen.
Und dann sah er sie, nackt auf einem Tuch aus weißem Satin liegend.
„Morgan!“ Dante sprang auf, nur um sofort wieder unter einem Schwindelanfall auf die Knie zu sinken. Eine Hand gegen die Stirn gedrückt, zwang er sich, sich aufzurichten und auf Knien zu ihr zu rutschen. Sie lag auf der Seite, wie ein Ball zusammengerollt, und ihr Haar bedeckte ihr Gesicht. „Jesus, Morgan …“ Er fasste sie an den Schultern und drehte sie auf den Rücken. Ihre Haare fielen ihr aus dem Gesicht, und er starrte regungslos vor Schreck hinab auf ihre weiße Haut, ihre geschlossenen Augen, ihre geöffneten, blassen Lippen. Er musste sich zwingen, ihren Hals und ihren Köper anzusehen. Und als er es tat, traten ihm Tränen in die Augen. Tränen. Er erinnerte sich nicht, wann er das letzte Mal um jemanden geweint hatte, schon gar keinen Sterblichen. An ihrer Kehle waren die Spuren seines Eindringens zu erkennen. Und da waren noch mehr. Kleine Einstiche auf ihren Brüsten und ihren Schultern. Ihrem Bauch und ihren Schenkeln. Es war kein Traum gewesen. Er hatte sich aufs Schändlichste an ihr vergangen. Sie auf jede Art genommen. Ihren Körper. Ihr Blut.
„Lieber Gott, Morgan, was zum Teufel habe ich getan?“ Er blickte zurück in ihr Gesicht, hob ihren Oberkörper in seine Arme, beugte sich über sie. „Bitte, wach auf. Bitte, Morgan, lebe. Ich kann das nicht getan haben. Nicht dir.“ Er horchte nach ihrem Atem. Er fühlte nach ihrem Herzschlag. Er suchte nach ihrer Lebenskraft … und spürte sie, immer noch in ihr. Schwach, aber vorhanden.
Ihre Augen öffneten sich zu schmalsten Schlitzen, und ihre Lippen bogen sich irgendwie zu dem Schatten eines Lächelns. „Oh, mein Liebster …“
„Sch. Versuch, nicht zu sprechen. Lieber Gott, Morgan, es tut mir leid. Ich …“
„Ich … habe dir etwas mitgebracht.“
Er schüttelte den Kopf, verstand nicht, was sie meinte, aber sie verdrehte ihre Augen, und er folgte ihrem Blick. Er sah die Bücher auf dem wackligen Tisch.
„Deine Tagebücher.“
„Meine Tagebücher …“ Er versuchte, sich zu erinnern, was mit ihnen geschehen war. „Ich habe Anweisungen bei einem Anwalt hinterlassen. Sie sollten in ein Lagerhaus gebracht werden, um sie dort sicher – ach, verdammt, was macht das jetzt?“
„Es ist wichtig“, flüsterte sie. Ihr Kiefer krampfte sich zusammen, sie schluckte und begann erneut. „Das Drehbuch auch. Auf einer CD, in einem der Bücher. Das ich geschrieben habe. Zerstöre es, Dante.“
Er starrte sie an und schüttelte den Kopf.
„Du musst wissen, dass du mir vertrauen kannst. Ich habe sie alle zu dir gebracht – um mich zu beweisen.“
„Du machst dir Sorgen, ob ich dir vertraue? Mein Gott, Morgan, sieh, was ich dir angetan habe.“
„Du hast getan, um was ich dich gebeten habe“, flüsterte sie. Sie hob schwach eine Hand und berührte sein Gesicht. „Tränen? Warum weinst du?“
Seine Hände zitterten, als er sich über sie beugte, ihren Kopf gegen seinen Bauch gepresst hielt und vor Qualen bebte, die ihn zu zerreißen drohten. „Wie kannst du das fragen? Morgan, es tut mir so leid.“ Seine Stimme klang rau, Schuldgefühle und Scham brachen über ihm zusammen, während er sie weiter festhielt.
„Mach es gut“, hauchte sie. Und sie sprach jetzt, als würde jedes Wort sie Mühe kosten. „Füttere mich. Mach mich unsterblich, wie du es bist.“
Dante legte den Kopf zurück, schloss seine Augen und malmte mit seinem Kiefer.
„Dante … bitte. Du wirst mich nicht sterben lassen. Ich weiß es.“
Eine Träne rollte
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