GEHEIMNISSE DER NACHT
wenn Sie können.“
„Hört sich an, als glauben Sie, ich könne es nicht.“
Das Lächeln des Mannes wurde breiter, und er verzog das vernarbte Gesicht zur Karikatur eines spöttischen Grinsens. „Sie sind alt, fett, aus der Form und müde.“
„Ja, vielleicht …“ Lou zuckte mit den Schultern, zog seinen Revolver und drückte den Lauf in Stiles’ Bauch, alles in einer glatten Bewegung. „Aber ich habe das hier.“
Stiles hob seine Hände über den Kopf, und sofort hatte Lou ihm die Armbrust entwendet. „Jetzt setzen Sie sich.“
Stiles starrte ihn wütend an, ging aber zurück in seine Ecke und setzte sich. Eine Sekunde später ertönte draußen Sirenengeheul, das immer lauter wurde, bis rotes und weißes Licht durch die Fenster hineinleuchtete.
Lou steckte seine Waffe weg und drehte sich um, kurz bevor die Sanitäter mit ihren roten Ausrüstungskästen hineinkamen. Maxine stand daneben, sah allem, was geschah, zu und sah doch nichts davon. Sie war desorientiert, verwirrt und stinkwütend.
Und dann stand Lou neben ihr und zog sie an sich. „Du siehst furchtbar aus.“
„Du hättest es mir sagen müssen, Lou.“
„Du hattest so viel anderes um die Ohren.“
„Tatsache.“ Sie dachte noch einmal über die letzten Tage nach. Sie hatte herausgefunden, dass sie eine Zwillingsschwester hatte, diese Schwester kennengelernt und erfahren, dass sie bald sterben würde. Ihre beste Freundin lag im Koma, aus dem sie vielleicht nie wieder aufwachte. Sie hatte herausgefunden, dass die ehemalige Hure mit einem Herz aus Gold, auf die sie eifersüchtig gewesen war, in Wirklichkeit ihre Mutter war. Und heute Nacht hatte sie ihren ersten Vampir getroffen. Von Angesicht zu Angesicht. Das war weiß Gott ziemlich viel auf einmal.
„Fahr mit deiner Schwester ins Krankenhaus. Pass auf sie auf. Halt ihn von ihr fern.“
„Dante oder Stiles?“
„Beide. Um Stiles solltest du dir allerdings keine Sorgen machen müssen. Den nehme ich mit.“
„Und wohin?“
„Ich muss Dante finden.“
Die Sanitäter murmelten etwas, über Morgan gebeugt, und waren dabei, sie auf einer Trage zu sichern. Maxine sah ihnen einen Augenblick lang zu, ehe sie weitersprach. „Lou, du hast Stiles gerade davon abgehalten, Dante nachzulaufen – und ich könnte dich dafür treten. Jetzt willst du selber hinter ihm her und Stiles mitnehmen?“
„Ich habe Stiles davon abgehalten, ihn wie ein Tier zur Strecke zu bringen. Ihn umzubringen – oder noch Schlimmeres. Das habe ich nicht mit ihm vor.“
„Nein, du willst ihn wie einen Menschen zur Strecke bringen, was? Ihm seine Rechte vorlesen, wenn du ihn hast, und so weiter?“
Lou senkte seinen Kopf. „Irgend so etwas, ja.“
„Er hat versucht, meine Schwester umzubringen. Er ist kein Mensch.“
„Das weiß ich.“
„Dann solltest du noch etwas wissen.“ Sie nahm ihm die Armbrust aus den Händen, als sie ihre Schwester aus der Tür schoben. „Du kannst ihn so viel beschützen, wie du willst. Aber wenn er versucht, noch einmal in Morgans Nähe zu kommen, bringe ich ihn eigenhändig um. Und ich lasse mich von niemandem aufhalten. Nicht einmal von dir.“
Dann drehte sie sich um, nur um gegen Stiles zu rennen. Er nickte fast wohlwollend und drückte ihr eine Visitenkarte in die Hand. „Meine Handynummer. Sie sehen hier als Einzige die Dinge, wie sie sind. Vielleicht brauchen Sie mich noch.“
Sie schob ihn zur Seite und eilte durch die Tür, den Sanitätern hinterher. Auf dem Weg riss sie eine Jacke von einem Haken und legte sie sich über den Arm, um die Waffe zu verbergen. Sie stopfte Stiles’ Karte in ihre Jeanstasche. Im letzten Augenblick drehte sie sich noch einmal zu Lydia um. „Du und David, ihr könnt im Auto hinterherkommen, okay? Ich will bei ihr sein, im Krankenwagen.“
Lydia sah erst erstaunt aus, dann erleichtert, sie lächelte zittrig und nickte ihrer Tochter zu. „Wir sind direkt hinter euch.“
Maxine drehte sich wieder um und folgte den Sanitätern. Auf halbem Weg zum Krankenwagen blieb sie noch einmal stehen. „Lou?“
Er war da, nur ein paar Schritte hinter ihr. Sie hatte gespürt, wie er ihr gefolgt war. „Sei vorsichtig, okay? Kehr dieser Schlange Stiles nicht ein einziges Mal den Rücken zu. Dante auch nicht.“
„Hatte ich nicht vor.“
Sie hob den Kopf und sah ihm in die Augen. Sie hasste ihn, weil er diese Bestie hatte laufen lassen. Nein, das tat sie nicht. Nicht richtig.
„Ma’am?“
Maxine drehte sich zu dem Sanitäter um, der sie
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