GEHEIMNISSE DER NACHT
noch mal nicht, was.
„Wie geht es Morgan?“ Dumme Frage. Was glaubte er denn, wie es ihr ging?
„Die geben ihr Flüssigkeit. Kein Blut. Es gibt keine Spender. Sie braucht es, sonst stirbt sie.“ Ihre Stimme brach, auch wenn sie sich alle Mühe gab, ihre Tränen zu verbergen.
„Es tut mir leid, Max.“
„Hast du ihn gefunden?“
„Dante? Ja. Er ist auch nicht gerade gut in Form. Ich habe getan, was ich konnte. Jetzt ruht er sich aus.“
„Und Stiles?“
„Er und ein paar Freunde werden heute Nacht der örtlichen Polizei einen Besuch abstatten, wenn alles so läuft, wie ich hoffe. Ich glaube nicht, dass sie uns vor morgen früh wieder in die Quere kommen. Vielleicht noch später.“
„Dann ist meine Schwester für heute Nacht sicher.“
„Soweit wir wissen, ja.“
Stille am anderen Ende der Leitung.
„Max … es tut mir so leid, dass ich dich enttäuscht habe.“
Es kam keine Antwort. Er senkte den Kopf und dachte verzweifelt darüber nach, wie er das Schweigen brechen konnte. „Ich bin in der Suite. Die Nummer hast du?“, entschloss er sich schließlich, ihr zu sagen.
„Ja.“
„Ich werde bis Sonnenaufgang ein Auge auf ihn haben. Bei Tageslicht kann er ja, wenn ich die Sache richtig verstanden habe, keinen Schaden anrichten.“
„Das stand auch so in den Akten, ja.“
„Dann verstaue ich ihn gegen Morgen irgendwo, wo es dunkel ist, und wir überlegen uns die nächsten Schritte. Okay?“
„Okay.“
„Und du rufst an, wenn du mich brauchst.“
„Ich komme schon klar.“
Das tat weh. Es fühlte sich an, als hätte sie gesagt, sie brauchte ihn nicht. Würde ihn nicht mehr brauchen. Hielt ihn nicht mehr für den Mann, dem sie immer vertrauen konnte. Er hatte sie enttäuscht. War von seinem verdammten Podest gefallen.
„Okay, na dann.“ Ein tiefer Atemzug und ein Seufzen folgten.
„Gute Nacht, Lou“, sagte sie und legte auf.
Die Stille der unterbrochenen Leitung schien ihn zu erdrücken. Er seufzte nochmals und legte den Hörer wieder auf. Noch einmal inspizierte er die Suite, überprüfte, ob auch wirklich alle Türen fest geschlossen und verriegelt waren. Hinterher fiel ihm noch ein, die leeren Fläschchen aus dem Mülleimer zu nehmen und vor die Tür zu stellen. Wenn die sich öffnete, würden sie umfallen und gegeneinander schlagen, und ihn hoffentlich wecken, falls er eingenickt war.
Endlich ging er zurück ins Schlafzimmer, setzte sich in den Sessel neben dem Bett, in dem der verwundete Vampir schlief, und erlaubte wenigstens seinen Augen etwas Ruhe, indem er sie schloss.
„Du bist schrecklich streng mit ihm, weißt du.“
Maxine drehte sich vom Telefon zum Empfangstresen, wo Lydia stand und sie beobachtete. „Ist das ein mütterlicher Rat oder nur eine Meinung?“
Lydia zuckte zusammen. Aber dann schien sie sich zu fangen. „Das habe ich wahrscheinlich verdient. Wenigstens deiner Meinung nach.“
Da war anscheinend doch so etwas wie Schuldgefühle, die ihr jetzt einen Stich gaben, doch sie ignorierte sie einfach. „Wie geht es Morgan?“
„Unverändert. Die Ärzte haben sie jetzt allerdings verkabelt. Tropfe, Monitore und so weiter.“ Sie senkte ihren Blick nicht schnell genug, sodass Maxine noch die Tränen in ihren Augen bemerkte. Sie waren tatsächlich so rot, als hätte sie die ganze Nacht geweint. „Gott, hoffentlich bekomme ich noch eine Gelegenheit, es ihr … ihr zu sagen.“
„Dass du ihre Mutter bist?“, fragte Maxine. „Die Chance hattest du bereits, Lydia. Aber du hast kein Wort gesagt. Nicht zu Morgan und zu mir auch nicht.“
Langsam hob Lydia den Kopf und sah Maxine an. „Ich hoffe, ich kann ihr noch sagen, dass ich sie liebe. Mehr nicht. Ich hatte nie vor, ihr – euch beiden – den Rest zu erzählen.“
Maxine schluckte den Knoten der Schuldgefühle, der in ihre Kehle aufstieg, hinunter. „Warum?“
„Ich dachte, das hätte ich dir erklärt. Wie gefällt es dir, zu wissen, dass deine Mutter eine Hure war?“
Dieses Mal zuckte Maxine zusammen. Die Worte saßen wie eine Ohrfeige. „Du schämst dich für deine Vergangenheit.“
„Nein. Nein, ich schäme mich nicht. Aber ich wusste, du würdest es und deine Schwester da drinnen auch, wenn sie die Wahrheit erfährt.“
„So gut kennst du uns also? Nach all den … was? Tagen?“
Eine Krankenschwester kam an den Tresen, und die Unterhaltung verstummte, während sie die Papiere durchsah und Krankenblätter zusammensammelte. Maxine wendete sich ihr zu. „Könnten Sie das Telefon
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