GEHEIMNISSE DER NACHT
Bilder aus ihrem Kopf zu vertreiben. Oh, sie hatte schon früher von Dante geträumt, aber es war immer ganz deutlich gewesen, dass es sich eben nur um einen Traum handelte. Und sie sah jeden Tag durch seine Augen und in seine Gedanken, wenn sie seine Geschichte niederschrieb und nach Herzenslust ausschmückte. Allerdings hatte sie bisher immer gewusst, dass all das ihrer Fantasie entsprang. Alle Autoren lebten in den Köpfen ihrer Figuren. Aber sie wussten, was Wirklichkeit war, und was nicht.
Dieses Mal war es anders gewesen. Dieses Mal hatte sie seine Hände auf ihrer Haut gespürt, seinen Atem an ihrem Hals, seine Zähne in ihrer Haut, seinen Mund, der an ihr saugte.
Es war echt gewesen.
Und atemberaubend.
Mit einem Seufzen glitt sie tiefer ins Wasser, schloss ihre Augen und versuchte an etwas anderes zu denken, egal was.
Die Preisverleihung. Das Kleid, um das sie sich immer noch nicht gekümmert hatte. Die Zeit, die sie in L.A. verbringen musste. So wenig wie möglich. Irgendetwas ging hier vor. Etwas, um das sie sich kümmern musste, bis sie es ganz und gar verstand.
Sie würde nirgendwo hingehen, solange sie das nicht tat.
Sie konnte genauso gut gleich damit anfangen. Sie schloss ihre Augen und stellte sich noch einmal die Szene vor, die sie gerade geschrieben hatte. Beugte ihre Knie, bis sie aus dem Wasser ragten, und glitt mit der Hand an ihrem Schenkel hinab. Sie berührte sich selbst und stellte sich vor, es wäre seine Hand. Sie bebte und flüsterte seinen Namen. „Dante …“
Er konnte sich sehr schnell fortbewegen, wenn er es musste, und heute Nacht war es dringend nötig. Bereits eine Stunde später kam er in Bangor an und ging mit wachsamen und scharfen Augen durch die Straßen.
Nach kurzer Zeit hatte er sie gefunden. Sie musste nicht arbeiten, nicht mit dem, was er ihr bezahlte, damit sie sich für ihn bereithielt. Und er hatte keine Zeit, eine Unschuldige zu verführen oder ein Opfer zu jagen, das den Tod verdient hatte. Nicht heute Nacht. Heute Nacht brauchte er Befriedigung, die schnell und ohne Fragen gewährt wurde.
Sie öffnete die Tür, als sie das Klingeln vernahm und lächelte ihn an. „Es ist eine Weile her.“
Er nickte, trat ein und schloss die Tür hinter sich.
„Möchtest du etwas …“
„Nein. Komm her.“
Sie schien sich zu fürchten, obwohl dazu kein Grund bestand. Sie hatten es schon oft genug getan. Dante versuchte, seine Gesichtszüge zu glätten, bemühte sich sogar um ein Lächeln. „Komm her.“
Sie schluckte und trat näher. Ihre Hände drückten gegen seine Brust, fuhren sein Hemd hinauf und legten sich um seinen Hals. Sie ließ ihren Kopf zurückfallen.
Dante zögerte nicht. Er beugte sich hinab und biss zu. Sie keuchte, wurde regungslos, entspannte sich dann sehr langsam und schmolz gegen ihn. Ihr Blut ergoss sich über seine Zunge, rann seinen Hals hinab, füllte ihn, wärmte ihn. Leben wirbelte durch seine Adern, er spürte das Kribbeln und wie es ihn selbst zum Leben erweckte. Begehren begann sich in ihm zu rühren. Er schmiegte sich an sie, während er trank. Seine Hände glitten an ihr hinab und pressten ihre Hüften gegen seine. Lieber Gott, wie er es brauchte, sich sehnte, hungerte! Ihr Blut rann mit jedem Schlag ihres Herzens in seinen Mund – doch dann wurde es langsamer.
Erschreckt löste er sich von ihr, leckte sich die Lippen – sie war einfach köstlich – und sah zu ihr hinab.
Der Kopf der blonden Frau hing zu einer Seite hinab. Ihre Augen waren geschlossen, und ihre Haut war sehr blass. In ihrem Hals klafften zwei kleine Löcher, und aus jedem von ihnen rann ein Band aus Blut.
Jesus, hatte er sie umgebracht?
„Belinda? Komm schon, wach auf.“ Er schüttelte sie sanft und klopfte ihr die Wangen.
Ihre Augenlider flatterten, hoben sich aber nicht. Mit einem Seufzen nahm er sie in seine Arme, trug sie zum Sofa und legte sie dort nieder. Er schob ein Kissen unter ihre Füße und legte dann eine Decke um sie.
Dann endlich begann sie, sich zu regen und ihre Augen langsam zu öffnen. Ihr Lächeln war schwach. „Verdammt, war das gut“, flüsterte sie.
„Alles in Ordnung?“
Langsam atmete sie ein und schien sich erst selber wieder zurechtfinden zu müssen. „Schwindlig. Benommen wie nur was. Das ist noch nie passiert.“ Ihre Worte kamen lallend, als wäre sie betrunken. Er hatte zu viel genommen.
„Es tut mir leid“, entschuldigte er sich. „Meine Schuld. Ich … es wird nicht wieder vorkommen.“
Sie lächelte schwach.
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