Geheimnisse des 'Dritten Reichs'
der Sponsorensuche durch alte Weggefährten, allen voran des engsten Speer-Vertrauten Rudolf Wolters, über Wasser.
Wolters war während Albert Speers Inhaftierung eine Art Lebensversicherung für dessen Familie. Der Architekt und engste Mitarbeiter des ehemaligen Berliner Generalbauinspektors und Rüstungsministers hatte aus Loyalität zu seinem alten Freund aus gemeinsamen Studientagen zur Tarnung ein sogenanntes »Schulgeldkonto« angelegt, auf das ehemalige Günstlinge Speers und weitere Gönner zum Unterhalt für dessen Familie regelmäßig einzahlten. Über 150000 D-Mark kamen so im Laufe zweier Jahrzehnte zusammen. Darüber hinaus hatte Wolters die Geschäfte für Albert Speer außerhalb dessen Gefängniszelle geführt, inklusive der Abschriften seiner herausgeschmuggelten Tagebücher und Briefe.
Speers Ehefrau Margarete mit zwei ihrer vier Söhne, 1950er-Jahre.
Süddeutsche Zeitung Photo, München (Alfred Strobel)
Doch trotz der Hilfe des alten Netzwerks wurden die Mittel der Speers immer knapper. Und so erinnerte Albert Speer sich – und bald auch den befreundeten Robert Frank – an seine Bildersammlung und deren Rückgabe. Doch der Treuhänder und dessen Frau saßen in Eschweiler auf den Kostbarkeiten und dachten überhaupt nicht daran, sie wieder herauszurücken. Während Robert Frank beruflich längere Zeit in Mexiko weilte, behauptete seine französische Frau Marguerite beharrlich, Albert Speer habe ihrem Mann die Bilder geschenkt. Und somit habe er keinerlei Anspruch mehr darauf.
»Eine Art Lebensversicherung«: Der Speer-Vertraute Rudolf Wolters (rechts) gemeinsam mit seinem Dienstherrn während eines Besuchs in Lissabon, 1942.
Bundesarchiv Koblenz (Bild 146-1968-036-22)
Es war der Auftakt zu einem mehrjährigen Disput um verschleppte Kriegsbeute aus möglicherweise jüdischem Besitz. Eine atemberaubende Kriminalgeschichte, die von Raffgier, Missgunst, Täuschung, Verrat, Verheimlichung und Betrug erzählt.
Marguerite Frank hatte sich wohl in den Kopf gesetzt, nicht nur die Hackert- und Böcklin-Gemälde, sondern auch alle übrigen zu behalten. Sie zeigte sich zu keinem Kompromiss bereit – im Gegenteil: Sie schien sich sehr wohl darüber bewusst zu sein, dass Albert Speer wohl kaum in einem Rechtsstreit die Bilder reklamieren würde. Denn sowohl die Gerichte als auch die interessierte Öffentlichkeit hätten eine ungeklärte bis dubiose Herkunft der Bilder sicher geahndet, und auch die Besatzungsmächte hätten die Herausgabe der verheimlichten Vermögenswerte fordern können. Mindestens bis zu seiner Entlassung aus dem Gefängnis hatte er keine echte Verteidigungsmöglichkeit. Und somit ging Franks Spekulation auf. Albert Speer verwahrte sich zwar in einer Notiz an seinen Intimus und Handlungsbevollmächtigten Rudolf Wolters Anfang 1952 dagegen, Frank die Bilder geschenkt zu haben – doch ihm waren die Hände gebunden.
Während Speers Haftzeit nach dem Zweiten Weltkrieg führte Wolters dessen Geschäfte.
Bundesarchiv Koblenz (Nachlass Rudolf Wolters)
»Ist es vielleicht besser, die Sache ruhen zu lassen und bei meiner Rückkehr damit anzufangen? … Es ist jedenfalls bei einem so gerissenen Mann wie Robert eine verlorene Sache, ohne meine Einschaltung klagend gegen ihn vorzugehen. Wenn Hettlage mit ihm gütlich machen will, so ist das was anderes. Aber Hettlage wird mehr und mehr die Nase voll haben von diesem Kram.«
Notiz Speers an Wolters, 21. Juli 1952
Im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums beriet Frank inzwischen seit 1951 die Regierung von Mexiko in Sachen verstärkter industrieller Entwicklung und Intensivierung der Handelsbeziehungen mit der Bundesrepublik Deutschland. Immer wieder reiste Robert Frank innerhalb der nächsten fünf Jahre für längere Zeit nach Mittelamerika, von wo aus er sich umgehend schriftlich zurückmeldete. Nun bekam der Disput eine neue Dimension, denn zu dem bemerkenswerten Missverständnis um Schenkung und Nicht-Schenkung der gut 30 Gemälde gesellte sich auch noch ein vermeintlich tragischer Umstand, wie Frank im April 1954 aus Mexiko einem inzwischen eingeschalteten Freund Speers schrieb: »Die Bilder, die mit unseren eigenen zusammen durch die O. T. [Organisation Todt] nach Hamburg gebracht werden sollten, sind zu 2/3, und zwar die wertvollsten, gestohlen.«
»Frau Speer verkennt vollkommen die Situation und hat nicht den geringsten Grund, verstimmt zu sein. … Die Bilder, die mit unseren eigenen zusammen durch die O.T. [Organisation
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