Geheimnisse des 'Dritten Reichs'
das steht für seine hohe Akzeptanz nach seiner Entlassung – eine Entlastungsfunktion gehabt, weil er nicht nur der Mitspieler war, sondern der »gute Nazi«.
Pater Athanasius, Speer-Vertrauter
»Kronzeuge und Medienstar«: Auch der Spiegel bot dem mitteilungsfreudigen Ex-Minister bald eine Plattform zur Verbreitung seines Geschichtsbilds.
Der Spiegel, Hamburg (40/1966)
Die deutsche Medienlandschaft bereitete dem »Gentleman-Nazi« die Plattform, die er für seine Vision benötigte. Hatte Mithäftling von Schirach sich für die Einmalzahlung seiner Exklusiv-Zeitzeugenrente entschieden, so bevorzugte Albert Speer die dosierte Ratenzahlung. Sechs Wochen ließ er sich Zeit, bis er erstmals öffentlich zum schon gespannt wartenden Volke sprach. Im Spiegel . Exklusiv. Für ein Honorar von 50000 D-Mark. Dieses Interview machte ihn nicht nur bis auf Weiteres finanziell unabhängig, sondern legte auch den Grundstein für Speers dauernd wiederholte Version vom zwar unwissenden, aber nichtsdestotrotz verantwortlichen Vertrauten Hitlers. Diese bewährte Verteidigungsstrategie behielt er bis zu seinem Tod bei: von Interview zu Interview, beinahe gleichlautend, wie automatisiert. Nach den Richtern in Nürnberg 1946 folgte ihm nun auch die öffentliche Meinung. Im Spiegel -Interview vom 7. November 1966 nutzte er gleich die Gelegenheit, mit einem geplanten Attentat auf Hitler durch Giftgas im Februar 1945 zu kokettieren, das sich dann – leider, leider – nicht umsetzten ließ. Das klang gut – und hatte wohl schon vor Gericht beeindruckt. Er, der Günstling und Quasi-Sohnersatz Hitlers, wandte sich gegen seinen Ziehvater, bereit zum Äußersten, um den irre gewordenen Diktator von der mutwilligen Vernichtung seines eigenen Volkes abzuhalten, das Kriegsleiden zu beenden und zu schonen, was noch zu verschonen ging. Nur: Zeugen und Beweise für Speers Attentatspläne fanden sich keine.
Seine Strategie von Nürnberg hat Albert Speer beibehalten, weil es die einzige Möglichkeit war zu überleben, um sich nicht den Galgen, den Tod einzuhandeln.
Pater Athanasius, Speer-Vertrauter
»… die Antworten waren wohl wesentlich zweckbestimmt. Deine zum Ausdruck gebrachte heutige Meinung zum damaligen Geschehen entspricht im ganzen durchaus dem, was die Presse hören will und in den vergangenen zwanzig Jahren an Schulen und Universitäten gelehrt worden ist. … Deine heutige persönliche Meinung über das Dritte Reich mag den einen oder anderen durchaus interessieren. Sie kann das Bild der Geschichte aber auch erheblich verwischen. Deine für später angekündigten Erinnerungen müssten daher den heutigen Standpunkt wohl außer acht lassen. So schwer ein solches Sichzurückversetzen auch sein mag (das beweisen die meisten bisher erschienenen Memoiren), wird gerade von Dir – ich denke, mit Recht – diese Fähigkeit erwartet und für möglich gehalten.«
Rudolf Wolters, Brief an Speer, 30. November 1966
Albert Speer distanzierte sich fortan von seinem Gönner Hitler und der gesamten Nazi-Führungsriege. Er musste sich von »denen« lossagen, um in der öffentlichen Wahrnehmung als Geläuterter auferstehen zu können. Genau damit aber verärgerte er viele Weggefährten, die ihm die Wandlung nicht abnahmen und ihn als opportunistischen Wendehals am Rande der Heuchelei kennenlernten, allen voran sein Intimus Rudolf Wolters, seit Studientagen Speers engster Vertrauter und bester Freund. Ebenjener stramme Nationalsozialist Wolters rügte Speer mit großer Verbitterung, dass er der Dämonisierung Hitlers und somit auch »des Teufels Architekten« Nahrung gebe. Seine briefliche Reaktion auf Speers Spiegel -Interview schloss mit der Hoffnung, dass Speers Memoiren ein richtigeres und breiteres Bild von der Vergangenheit zeichnen würden. Vergebens, wie sich zeigen sollte.
Die Chronik einer Fälschung
Wolters’ Zweifel an Speers ideologischer Standhaftigkeit hielten ihn nicht davon ab, seinem alten Chef abermals den Rücken freizuhalten. Zur Steuerung seines öffentlichen Rufs entwickelte Albert Speer nach seiner Entlassung aus der Haft nämlich nicht nur eine Strategie, sondern überdies auch kriminelle Energie. Er positionierte sich nicht nur als reuiger Sünder vor aller Welt, sondern unterstützte sogar die Fälschung von Dokumenten – der sogenannten »Chronik«, einer Aufzeichnung seiner Aktivitäten als Generalbauinspektor von Berlin – durch seinen Intimus Rudolf Wolters. Speer wollte seine Version des »Unwissenden« nicht
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